Jana Hensel - " Zonenkinder ". Ein literarischer Fehlgriff?
Über die deutsch - deutschen, also die gesamtdeutschen Befindlichkeiten ist ja bereits vor dem bedeutungsschwangeren Jahr 1989 viel, sehr viel, ja, wohl eher zu viel geschrieben worden. Die veröffentlichten Werke hierzu dürften alle Male ganze Regalwände füllen. Da käme es nun nicht mehr so darauf an, ob sich zu diesem Thema ein weiterer Kleinstverlag und ein schreibender Hobby - Literat äußert. Anscheinend sind aber die gesammelten Werke aus diesem Genre nicht hinreichend bekannt, sonst dürfte eine gestellte Frage, wie jene, die ich kürzlich bei der Quizsendung " Gefragt - Gejagt ", von dem Moderator " Alex " Bommes laut und deutlich vorgelesen, nicht falsch beantwortet werden. Alexander Bommes wollte von dem Kandidaten - Quartett wissen, was sich hinter dem Kürzel " SBZ " verbirgt. Die Antwort: " Sozialistische Besatzungszone "!
Arrrgh! A haua, haua,how! Räusper!
Dat war falsch! Die " Wessi " - Kandidatin griff ins Klo und holte für den einst braunen Kampfbegriff " SBZ " eine übermalte Variante, ein Stück rote Sch... hervor.
Nö, net " Sozialistische Besatzungszone ", sondern " Sowjetische Besatzungszone ", wie Sir Alex Bommes sofort korrigierend ablas.
Geschenkt! Frau und Mann muss zu der faschistoiden Kampfrhetorik der 1950er bis 1970er Jahre nicht mehr alles auf der Pfanne haben. Doch so gängige Kürzel, wie DDR ( die natürlich nicht in der Art des Gossenjournalismus aus dem Hause von " Adolf " Springer in An - und Abführungszeichen zu setzen ist ), VEB oder auch SED sollten wohl bekannt sein. Korrekter ist es, zu behaupten, sie sollten noch bekannt sein. Die Generationen nach 1989 / 1990 werden allerdings mit diesen Abkürzungen, die - jedes für sich - irgendwie, irgendwann und irgendwo mit der Vergangenheit des zweiten deutschen Staates in Verbindung zu setzen sind, wohl nicht mehr allzu viel anfangen können.
Es sei denn, sie sind in einem familiären Umfeld groß geworden, dass sich alsbald mit den negativen Auswirkungen der so genannten " Wende " ab diesem Zeitraum herum plagen musste oder es immer noch muss. Wenn dann deren Eltern nur lange genug gegen die aktuellen Politiker, die Parteien, die Gewerkschaften, gegen einzelne Amtsträger, wie Merkel, Maas, Hilpert, hetzen, ohne von den Funktionsweisen der demokratischen Grundordnung und des Parlamentarismus auch nur die Bohne zu verstehen, werden aus jenen Indoktrinierten keine guten Demokraten, schon gar nicht sozialen Demokraten, sondern Neofaschisten.
Als die heutige Schriftstellerin ( sie darf auch Autorin und Journalistin genannt werden ) Jana Hensel am 3. Juli des Jahres 1976 das Licht der Welt erblickte, herrschte in ihrem Geburtsort Borna bei Leipzig noch die Diktatur des Proletariats, es gab zwei ( drei ) Machtblöcke, die sich, hochgerüstet mit Atomwaffen, wechselseitig die bleckenden Zähne zeigten. China kann zu dieser Zeit wohl eher nicht als Weltmacht gelten, weil es eher rückständig, denn politisch so einflussreich war, wie es die UdSSR und die USA zeigten.
Zu den Satellitenstaaten der mächtigen Sowjetunion zählte zweifelsohne die DDR. Damit begann der Eiserne Vorhang, den westliche Meinungsmacher so oft zitieren durften, wenn es um die Abgrenzung zu der eigenen, der als wahrhaftig verkauften Ideologie ging, bereits an der innerdeutschen Grenze. Der so genannten " Zonengrenze ". Wen die Gnade der richtigen Geburt traf, der durfte sich alsdann in dem reichen Westen des geteilten Deutschlands, in der BRD, versuchen; während jenseits von Mauer, Zäunen, Todesstreifen, Stacheldraht, Minen und Selbstschussanlagen, der pure sozialistische Mangel in der dortigen Ökonomie vorherrschte.
Der inzwischen wohl genährte bis voll gefressene Bundesbürger mit ockerbraunem Gedankengut und schwarzer Humorlosigkeit, fabulierte im Westen von der " Zone ", der " Ostzone " oder eben von der " Sowjetischen Besatzungszone " ( abgewandelt: " Sowjetisch besetzte Zone " ) und ließ anschließend an der " DDR " kein gutes Haar, wenn er sich zu einer der sattsam bekannten Hetztiraden aufschwang. So war auch klar: Wer nicht in diesem Sinne dachte und - noch westlich verwerflicher - handelte, wer also nicht dem gesellschaftlichen Diktat des kapitalistischen Dreiklangs " Wachstum - Wohlstand - Walzer ( damit ist Urlaub, Auto, Fressen und Saufen gemeint ) ", dazu auch noch Widerworte formulierte, dem wurde von dem schwarz - braun wählenden Malocher der einprägsame Satz: " Du kannst ja nach drüben gehen, wenn es dir hier nicht passt! " um die noch grünen Ohren gehauen.
Gut, ich sach´ma: Unwissenheit schützte damals auch vor Strafe, wenn es um die rechte Gesinnung ging.
Da ich - wie die Autorin / Schriftstellerin Hensel auch - in einem proletarischen Umfeld - will heißen, einem Malocherhaushalt - aufgewachsen bin, sind mir bestimmte Denk - und Handlungsstrukturen wohl bekannt. Prolet West unterschied sich hier nicht so dramatisch von Prolet Ost. Wobei der Erstgenannte später alle möglichen Hebel in Bewegung setzte, um dieses nicht mehr zu sein, während sein Ost - Pendant von Staats wegen hofiert werden musste und seine Privilegien über die SED - Politik in den Allerwertesten geschoben bekam.
So weit, so bekannt.
Jana Hensel möchte nun dem Leser ihres Buches " Zonenkinder " ( eine vermeintlich schlüssige Ableitung aus dem oben benannten Geburtsumständen; wobei der Kampfbegriff " Zone " im DDR - Propagandavokabular so nicht vorkam bzw. nicht vorkommen durfte, weil er vom Klassenfeind aus der BRD geprägt worden war ) ihre Eindrücke zu und über ihre Kindheit sowie Teile ihrer Jugend ab 1976 bis zum Zusammenbruch des Systems vermitteln. Sie beschreibt deshalb auf vielen Seiten jene abgeschottete Welt während der restlichen DDR - Laufzeit.
Dass diese - sie war zur "Wende " noch ein Teenager im zarten Alter von 13 Jahren -, vornehmlich aus Konsumgedöns, schulischen sowie erzieherischen Abläufen und dazu - häufig verklärenden - Beschreibungen ihres familiären Umfelds besteht, lasse ich hier eher unkommentiert.
Wahrheitsgetreuer und demnach auch zutreffender wären Beschreibungen zu dem sich kurz vor dem Kollaps befindlichen, planwirtschaftlichen System, dass die Umwelt ( unter tatkräftiger Beihilfe von Westkonzernen ) dabei vor die Hunde ging, dass die DDR - Bürger aus den stinkenden VEB - Chemie - Braunkohle - Kombinaten langsam aber zuverlässig vergiftet und Jahre später mit diversen Krebs - und anderen gesundheitlichen Leiden überzogen wurden, dass die Mangelwirtschaft eine Schattenwirtschaft in Form eines Beziehungsgeflechts hervor brachte, dass der spießige - piefige - DDR - Altherren - Apparat nüscht mit der Gleichstellung von Frau und Mann am Hut hatte, obwohl es von den Propagandaonkeln ständig und öffentlich erklärt wurde, findet sich in Hensel´s Traktat nicht.
Okay, sie war erst 13 Jahre alt. Da kann ein kritischer Rückblick auf die Zeit nach 1976 bis zum Zusammenbruch nicht verlangt und erwartet werden. Deshalb kapriziert sich die Autorin auf ihre Erlebnisse nach dem behaupteten " Ende ihrer Kindheit / Jugend ", also die Nachwendezeit. Jene - auch für einen Wessi, wilden Zeitraum, in denen sich Ost mit West vermischte, sich die Menschen aus den beiden, vormals getrennten Staaten etwas näher kamen und in denen die Binnenwirtschaft einen Aufschwung nahm.
Dass dabei Horden hungriger Selbständiger, Kohorten - nur zu oft unfähiger - Beamter und Angestellter und Schwadrone von Versicherungs - oder Immobilienmakler, neben anderen Hasardeuren in die Neuen Bundesländer einfielen, um der dortigen, ehrfurchtsvoll zu ihnen aufblickenden Bevölkerung, die Vorzüge der kapitalistischen Produktionsweise, des veramerikanisierten Verkaufens und Bewerbens oder die Umsetzung des Luftnummern - und Känguru - Prinzips an der Haustür oder sonst wo zu zeigen, findet sich in Hensel´s Buch denn eher nur am Rande.
Natürlich hatte die Wende nicht nur Nachteile. Es wurden Straßen sowie viele Autobahnen gebaut, Bruchbuden und andere Ruinen abgerissen, saniert, renoviert, der Konsumsektor expandierte und die Reisefreiheit bezog sich nun nicht mehr auf Staaten des sozialistischen Auslands, mit der Jugoslawien - Einschränkung. Sicherlich gab es dabei viele Wendegewinner, die nach 1989 durch Land - und Immobilienverkäufe Geld verdienen durften. Zudem wurden auch reichlich neue Arbeitsplätze geschaffen, wobei es eben den einstigen DDR - Bürgern nunmehr möglich ist, auch in den westlichen Ländern zu arbeiten. Hinzu kommt, dass das gesamte Sozialsystem übertragen wurde.
Allerdings war die Umwälzung für jene 16,675 Millionen Bürger alles andere als sozial abgestimmt. Die Kaputtmacher von der Rohwedder / Breul´schen " Treuhand " pflügten die DDR - Wirtschaft komplett um. Alles was nicht in ihre Konzepte hinein passte wurde " abgewickelt ".
Gleiches galt bei der Einführung des föderalen Schulaufbaus.
Ehrlich gesagt: Für mich war das DDR - Schulsystem, wenn der ideologische Quark beiseite genommen wird, erheblich transparenter und damit gerechter.
Also: Jana Hensel schreibt in ihrem Buch, das sich nahezu 350.000 Mal verkaufen ließ und bei dem vormals renommierten Hamburger Rowohlt - Verlag erschien, dann über ihren Jugend und die Studienzeit in den Nachwendejahren bis 2002. Sie verwurstet dabei eigene Erlebnisse und setzt diese aber dann in die - als anmaßend kritisierte - " Wir " - Form. Dieser Versuch, Selbsterlebtes zu verallgemeinern, endet auf dem Scheiterhaufen der Buchkritiker. Sie wird dafür - wohl nachvollziehbar - von ihnen herunter gemacht. Beispielhaft hierfür sind jene Kommentare einiger Leser/innen:
https://www.amazon.de/gp/customer-reviews/R3A2XNHI7UZMS7/ref=cm_cr_arp_d_viewpnt?ie=UTF8&ASIN=349802972X#R3A2XNHI7UZMS7
Tja, vor einigen Tagen hatte ich Jana Hensel´s " Zonenkinder " als gebraucht deklariertes Exemplar über eben jenen Versandgroßhändler bestellt. Es sollte - frankofrei - ganze 0, 78 Euro kosten. Ein Schnäppchen, das das Risiko, für mehr Geld, weniger Qualität gekauft zu haben, absolut minimiert.
Als gemischt - sozialisiertes Paar, als eine der vielen Ost - Westehen, als zudem aus einem Jahrgang, stellten wir uns vorab die Frage nach der Authentizität der Schilderungen jener, in der damaligen DDR geborenen, aber mehr als doppelt so lang in Gesamtdeutschland lebenden Autorin, die von sich aus nun beansprucht, für eine, ihre Generation zu schreiben.
Meine bessere Hälfte las es am Sonntag flüchtig durch und begann danach herum zu kritteln. Nein, so war das nicht. Sie muss es schließlich wissen und kommt aus dem Fach. Ihre hier vorhandene Privat - Bibliothek würde einen Klein - LKW füllen. Ich bin da eher nicht so der eingefleischte Bücher - Fan. Lese aber - je nach Lust und Laune und dieses vornehmlich im Urlaub an der Ostsee - schon eher einen der von ihr massenhaft mitgenommen Romane.
Deshalb gehe ich auch hier und heute eher moderat an den Versuch einer Buchkritik heran.
Vor einigen Jahren nahm ich mir zwei Buchveröffentlichungen der 1962 in Hamburg geborenen Schriftstellerin Martina Rellin aus dem Bestand meiner besseren Hälfte vor. Die Westfrau verkaufte ab 2001 mehrere Bücher mit dem Thema " Liebhaber ". Auf der Pirsch nach neuen Themen, die irgendwie, irgendetwas mit dem Ost - West / BRD - DDR - Sermon zu tun haben könnten, kam sie auch die todesmutige Idee, anhand von geführten Gesprächen mit einstigen " Ost - Frauen " die These aufzustellen, dass DDR - Frau oder jetzt Ost - Frau nicht nur freizügiger mit dem Begriff Fremdgehen und Zweitmann umgehen würden und könnten als ihre Schwestern in den Alten Bundesländern, sondern auch die daraus entstehenden Konsequenzen auf ihr eigenes Leben besser kalkulieren.
Eine kühne und völlig irrige Behauptung, wie sich beim Lesen der " Liebhaber " - Schwarten heraus stellte. Zudem entpuppte sich das mit " Neue Liebhaber " verkaufte Sammelsurium als ein Paradebeispiel dafür, wie alter Wein in neuen Schläuchen marktkonform und umsatzträchtig an die Bevölkerung verkloppt werden kann.
Diese Gedanken kamen mir bei der Diskussion um den tieferen Sinn des " Zonenkinder " - Buchs von Jana Hensel. Es hat auch etwas mit Masche gemeinsam, die dahinter steckt. Auch diese Schriftstellerin hat zeitnah eine weitere Schwarte zum Thema " Ostzone " oder so ähnlich veröffentlichen lassen. Der Verlag macht alsbald mächtig Druck auf seine Hobby - Literaten, sofern sich eine - zumeist die erste - Schinken gut verkaufen ließ. Immerhin sind 350.000 Exemplare, die zudem wohl in verschiedenen Sprachen übersetzt werden mussten, kein Pappenstiel. Das ist in der heutigen Zeit schon eine Hausnummer, wenn handelsübliche Schundware nach 10.000 Plus gedruckten Exemplaren bereits wieder aus dem Programm genommen werden muss, um anderen Schreiberlingen Platz zu machen.
Fazit: Ich werde Jana´s Buch bis zur bitteren Neige zu Ende lesen. Werde mich dabei und vor allem danach fragen müssen, ob die DDR wirklich so unpolitisch war, wie sie ihre Bürger aus den Jahrgängen der 1970er geformt haben will und ob es nicht besser gewesen wäre, Berufstätige aus den Studienbereichen der vergeblichen, weil geisteswissenschaftlichen Fächern, es nicht eher vorziehen sollten, sich nicht auf der schriftstellerischen Ebene zu versuchen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jana_Hensel
Konstantin Wecker mit " Stürmische Zeiten, mein Schatz! " - Live - 2002:
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