Das zweirädrige Rumpelstilzchen von der Tharandter Straße.



Der seit Jahrzehnten überbordende Individualverkehr muss ja zwangsläufig zu ständigen Konfliktsituationen zwischen motorisierten und anderen Verkehrsteilnehmer führen. Dieses dürfte so sicher wie das Amen in der Kirche sein. Das in derartigen Fällen häufig der Schwächere das Nachsehen hat, ist dabei bekannt. Und so hat so manche groteske Begegnung der ersten mit der zweiten, dritten und vierten Art zu heftigen körperlichen Auseinandersetzungen geführt. Dabei blieb häufig kein Auge trocken, kein Zinken heil und kein Körperteil ohne Hämatom.

Ganz so wild waren meine ungewollten und / oder fahrlässig herbei geführten Treffen mit dem profanen Radfahrer, dem eilenden Fußgänger oder Motorrad eigentlich nicht. Wenn es bei mir Krachte, dann war ein vierrädriger Teilnehmer immer dabei.

Aber, die bleibenden Erinnerungen an einige Verkehrskonfliktsituationen liegen bei mir eher in den mehr oder weniger glimpflich ausgegangenen Aufeinandertreffen mit nicht motorisierten Menschen. Da war der fluchende Radfahrer, dem ich beim Einfahren vom Herdentorsteinweg in die Birkenstraße übersah und der nach eine Vollbremsung wild gestikulierten und dabei mit der rechten Faust drohend, auf meinen Fahrfehler aufmerksam machte, ehe er in einem eleganten Bogen um meine Blechkiste herum fuhr. Oder da war der aggressive Fußgänger an der Ampelkreuzung Gastfeldstraße / Friedrich - Ebert - Straße, der auf das Dach meines Mazdas trommelte, weil ich den Fußgängerweg wegen zu spät abbiegender PKW vor mir, blockierte. Aber nicht nur Bremer sind da in meiner Erinnerung. Auch ein Besuch in der niedersächsischen Landeshauptstadt, bei dem ich mich - einst gab es eben noch keine elektronischen Hilfsmittel - mehrere Male verfuhr und dann beim Wenden ein aus einer Nebenstraße heraus jagenden Fahrradboten  übersah, der durch wildes, mit dem linken Arm Herumfuchteln, meinen Fahrfehler sanktionierte. aber dabei die Geschwindigkeit nicht einmal drosselte.

Nun, ja, die Litanei des Who is Who lässt sich hier wohl ad infinitum fort schreiben und jeder Fall zeigt sich dabei anders.

Und so wunderte es mich keineswegs, als ich am Dienstagabend auf dem Weg zum Regionalbahnhof in Dresden - Plauen einmal wieder - ganz zu meiner Erheiterung - einen solchen Konflikt zwischen Auto und Rad hautnah erleben durfte. Bekanntlich beginnt so ab 16.00 bis 16.30 Uhr in unserer schönen Landeshauptstadt die so genannte Rushhour, Da bewegt sich dann massenhaft jener Teil an Pendlern und mehr auf Dresdens Straßen zurück, der zuvor irgendwie hierher gefunden hat.

Dieses gilt auch für die Tharandter Straße, eine jener Hauptausfallstraßen, die insbesondere von Berufspendlern aus Freital genutzt wird, Zudem verkehren hier bekanntlich eine Vielzahl von Buslinien.

Dann wird es bis mindestens 18.30 Uhr oft richtig voll. Das bedeutet aber auch, dass ein fahrender Verkehrsteilnehmer hier alle Sinne beieinander haben muss, um sicher an seinen Zielort zu gelangen.

Tja, und wie ich so an der Altfrankener Straße  in Richtung der Fußgängerampel schritt, rollte neben mir ein Auto nach dem anderen vorbei. Rushhour, eben. Meistens dauert es nur einen kurzen Augenblick, ehe die Fahrzeuge dann auf die Tharandter Straße einbiegen können. Doch auch hier gibt es eben Ausnahmen. Und eine solche lag in diesem Fall vor. Eine Dame, so mittleren Alters, dafür aber stylig aufgebrezelt, die obligatorische Sonnebrille in das Haar eingesteckt,  in eine chicen, silbergrauen Mercedes Cabriolet mit tollen Sportfelgen und einem spießigen Kennzeichen, wartete an der Kreuzung wohl etwas länger als erwünscht.

Während ich die Tharandter bei der Fußgängerampel längst überquert hatte, stand Madame in ihrem Angeber - Schlitten immer noch auf der Altfrankener Straße und wartete. Sie wartet, nicht auf besseres Wetter, obwohl dieses an jenem Dienstagabend, so gegen 17.30 Uhr mistig war, nein, sie wartete auf eine Möglichkeit, ihren chicen Schlorren links in die Thrandter Straße einfahren zu dürfen. Doch, sie watete bislang vergebens.
Und weil sie vergebens wartete, wurde sie ein wenig ungeduldig. Sie ließ ihr Angeber - Auto mindestens einen Meter in den Kreuzungsbereich einrollen und blockierte dadurch endgültig den rechtsseitigen, stadtauswärtigen Radweg.

Da war ein Fehler. Ein Kardinalfehler alle Male, den die Dame im Sportwagen beging. Von links kam ein Fahrradfahrer im vollen Sportdress, mit teurem Helm, ergonomisch zugeschnittenen Anzug und dazu passenden Schuhen, auf seinem High - Tech - Carbonrad, dass wohl locker den Preis eines Gebrauchtwagens erreicht, heran gejagt. Nun blockierte Madame mit Sonnenbrille im Haar in ihren Mercedes Cabriolet seinen Fahrradweg. Er reduzierte ruckartig seine imposante Geschwindigkeit, bremste wenige Zentimeter vor der Haube des Heiligtums jener allzu forsch auftretenden Dame ab und begann mit den Armen herum zu rudern. Er fuchtelte wild in Richtung der Altfrankener Straße und deutete ihr damit an, sie solle gefälligst Zurücksetzen, damit er an ihrem teuren Sportwagen vorbei fahren könne. Doch die Lady schaute nur stoisch in die Tharandter Straße hinein.

Nun legte der Sportradfahrer erst richtig los. Er fluchte wie ein Wilder, zeterte wie ein Rohrspatz und gestikulierte dabei so weiter, wie wir es von Don " Pep " Guardiola bei den Bazis kennen. Sportradfahrer versus Sportwagenfahrerin, so hieß die Begegnung an der Tharandter Straße ab 17.30 Uhr in Dresden. Der Radfahrer wütete noch weiter, während ich einige Male schräg zu dem Kampfplatz herüber sah. Er brüllte jetzt gegen den infernalischen Autoverkehr an. Ich konnte dennoch nur Wortfetzen hören. " Zurück !" oder so, war auch in seinem Redeschwall enthalten.

Die Sportwagen - Fetischistin blieb indes weiter cool. Sie ignorierte den, wie Rumpelstilzchen, das Rad zwischen seinen Beinen klemmend, vor der Kühlerhaube herum tobenden Radfahrer. Der gab dann nach kurzer Zeit auf. 1:0 für die Lady im Silber - Grauen.
Der Sportradfahrer trat in die Pedale und jagte von dannen. Die Mercedes - Dame konnte dann endlich links in die Tharandter abbiegen.

Ich grinste mir Einen. Dieses Situationen, wenn auch zumeist unbeteiligt, kannte ich zur Genüge. Wenn Spießigkeit und Schissigkeit auf Oberspießigkeit und Oberschissigkeit treffen, fliegen zumeist die Fetzen. Dann ist Rumpelstilzchen im Vergleich zu dem Auftreten der Beteiligten nur ein kleiner Wicht, eine Märchenfigur, die vor lauter Freude um ein Feuerchen herum tanzt, weil es der übrigen Welt vermeintlich mal wieder so richtig gezeigt hat. Dabei siegt am Ende aber - hoffentlich - immer die Vernunft und die nennt sich in einem solchen Fall: wechselseitige Rücksichtnahme. Doch diese ist bei den beiden beteiligten Schissen eben nicht vorhanden, sonst wären es eben auch keine solchen.

" The Flying Eyes " - " Lowland " :










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