" Tatort " aus Bremen: Wenn die Pflege sich tot pflegt.
Über den so genannten Pflegenotstand sind ja nicht nur Regal weise Bücher geschrieben, unendlich viele Berichte gesendet sondern genauso viel Gesprächsrunden - auch mit Betroffenen -geführt worden. Doch dass aus diesem Umfeld ein Krimi produziert wird, dürfte eher Seltenheitswert haben. An einen solchen haben sich die Verantwortlichen von Radio Bremen Fernsehen für die " Tatort " - Reihe gewagt.
Der Krimi heißt " Im toten Winkel " und wurde am 11. März 2018 zur allseits bekannten " Tatort " - Zeit im Ersten gezeigt.
Was eher unspektakulär beginnt, nämlich der Suizid und dessen Versuch eines älteren Ehepaar in der Freie und Hansestadt Bremen, endet nach zirka 1 1/2 Stunden in der ernüchternden Erkenntnis, dass diese, unsere, Gesellschaft in diesem, unserem, Land nicht unerhebliche Problem mit der alternden Bevölkerung zu haben scheint.
Dazwischen liegen drei weitere Tote, eine spektakuläre Durchsuchung der Geschäftsräume eines korrupten und kriminellen Pflegedienstes und ein Bestechungsversuch der dortigen Geschäftsführerin bei einem kritisch eingestellten Ehemann einer Patientin.
Wenn es um Tote in Pflegeeinrichtungen geht, kommen zunächst unweigerlich Gedanken an den Mörder Niels H., der in den Kliniken von Oldenburg und Delmenhorst mindestens 30 Patienten getötet und 60 weitere Versuche unternommen hat. Doch H. hatte mit der Altenpflege nur bedingt etwas zu tun.
Im " Tatort " aus Bremen geht es auch nicht um Mord, sondern zunächst um Tötung auf Verlangen und später um einen Unfall, bei dem ein Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen verstirbt. Dieser zeigte sich in seiner Berufsausübung als korrupt. Er arbeitete mit einem Pflegedienst zusammen, dem er Patienten zuschob und dafür Geld kassierte. Dass dieser Pflegedienst Abrechnungsbetrügereien begeht, muss hier nicht gesondert erwähnt werden.
So reiht sich ein kriminelles Detail an das andere, dazwischen werden menschliche Einzelschicksale angerissen, die zur Normalität des Lebens zählen. Ein älteres Ehepaar, dessen Sohn zwar auch in Bremen wohnt, jedoch sich seit Jahren nicht mehr hat blicken lassen. Dieser Sohn ist von seiner Ehefrau nebst der beiden Kinder verlassen worden, säuft deshalb, hat keine Arbeit und bekommt sein Leben nicht auf die Reihe. Da ist die, nach einem Verkehrsunfall Gelähmte. Eine Ehefrau mit zwei Kindern, die bis zum Tod an das Pflegebett gefesselt bleibt. Da ist eine Frau, die ihre an Demenz erkrankte Mutter im eigenen Haus pflegt. Last not but least wäre dann der Fall jener jüngeren Frau zu benennen, die als Radfahrerin von einem PKW - Fahrer über den Haufen gefahren wird und seitdem gelähmt im Pflegebett liegt, dass in einem durchaus schmucken, aber nicht abbezahlten Reihenhaus steht, weil dort der Mann die Pflege seiner Frau ausübt.
Pflege hat nicht immer etwas mit dem Alter, dem Altern zu tun. Sie kann plötzlich, quasi wie der Blitz aus heiterem Himmel, auf eine Person hernieder gehen. Sie kann in eine äußerlich intakte Familie, ein gut bürgerliches Umfeld einschlagen. Sie kann sich in einer unheilbaren Langzeiterkrankung zeigen, vor deren finalen Ergebnis, nämlich den Tod des Erkrankten, ein Martyrium der Angehörigen durch die geregelte Gesellschaft und ihren Vorschriftendschungel steht.
Der Bremer " Tatort " hat dieses alles angerissen und kommt letztendlich zu dem Ergebnis, dass es keine Ideallösung gibt; außer der, dass die Generationen sich auf einen solchen Eventualfall einrichten sollten. Ehe es zu spät ist und Fremde über sie bestimmen.
Wer selbst in eine ähnliche Situation geraten ist, dass nämlich ein Partner, ein Elternteil oder ein Angehöriger zum Pflegefall wird, kann ermessen, was dieses für ihn selbst bedeutet. Ein solcher Schicksalsschlag geht einher mit eigenem Verzicht. Nicht nur in finanzieller Hinsicht. Dieses wäre nur das kleinere Übel. Sondern auf ein eigenes Leben. Und hier heißt es dann für die Angehörigen, dass sie abwägen müssen zwischen der nahezu selbstaufgebenden Pflege und der Übergabe an eine professionelle Hilfe.
Der Bremer " Tatort " regte zum Nachdenken an. Denn es kann Jeden überall treffen - im Pflegenotstandsstaat.
" Kahvas Jute " - Parade Of Fools " - 1971:
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