Elektrisches Keramikventil

Unsere Industriegesellschaft lässt kaum eine Nische ungenutzt, in der nicht irgendein Anbieter einspringen könnte, um dort seine Geschäftsidee umsetzen zu können. So gibt es längst einen breiten Markt für allerlei elektronische Waren. Natürlich auch für Kaffeevollautomaten.Diese sind nicht nur vielen lieb, sondern zudem auch sehr teuer geworden. Da hilft es so manchen Jura - bis Saeco - Fan, dass findige Männer ausrangierte Geräte wieder aufpeppeln und danach zu einem Preis veräußern, der oft nur einem Drittel eines Neugerätes entspricht.

Als wir uns vor knapp 2 Jahren eine Jura Impressa Z 5 zulegten, kostete der gebrauchte Automat " nur " 500 Euro. Das ist immer noch ein erkleckliches Sümmchen, doch im Vergleich zu einem Neugerät günstig.

Unser Altgerät konnten wir für knapp 260 Euro weiter verkaufen. 

Die gute " Jura " verrichtete ihre Dienste Tag für Tag zu meiner besten Zufriedenheit. Doch nach gut 1 1/2 Jahren zickte Madame herum. Sie gab keinen Milchschaum mehr ab. Ich recherchierte dazu in den einschlägigen Internetforen und führt eine Selbstdiagnose durch. Zunächst kam ich zu dem Ergebnis, dass es die Wasserpumpe sein könnte, die ihren Dienst eingestellt hatte. Ich tauschte diese für zirka 13 Euro gegen eine neue Pumpe aus.

Doch Madame weigerte sich auch danach, den Milchschaum sowie das heiße Wasser abzugeben.

Dann las ich in einem weiterem Forum, dass die mutmaßliche Ursache ein defektes Keramikventil sein könnte.

Ich recherchierte dazu die Preise, die sich von über 200 Euro für ein neues Ersatzteil bis " nur " 52 Euro für ein revidierten Ventil einpegelten. Darunter war kein gebrauchtes elektrisches Keramikventil zu bekommen.

Ohne das Wunderding könnte es also auch weiterhin keinen Cappuccino, keine Kaffee Latte und keinen Expresso aus der Maschine geben. Wir überlegten deshalb, ob wir uns ein neues, aktuelles Gerät zulegen sollten. Eine Händler boten Modelle verschiedener Anbieter um beinahe die Hälfte reduziert an. Warum also noch in eine vielleicht teure Reparatur investieren?

Ich machte über einige Monate lang den Kohl und wollte das Problem aussitzen. Doch irgendwann war ich es leid, den Milchschaum auf eine umständliche Weise herzustellen. Vor allem war meine bessere Hälfte über diesen Dauerzustand nicht gerade erfreut.

Kurz nach Neujahr bestellte ich - dann eher nach dem Prinzip des Geratewohl - eine gebrauchtes, überprüftes elektrisches Keramikventil von einem " ebay " - Händler. Wir bezahlten die knapp 53 Euro und erhielten bereits zwei Tage danach das Ersatzteil.

Nachdem ich das Ventil ausgepackt hatte, legte ich es zunächst auf die Anrichte. Gut Ding braucht Weile. Außerdem war das trübe Winterwetter nicht unbedingt geeignet, um einen Austausch des mutmaßlich defekten Keramikventils vornehmen zu können. Es wurde über Tage selbst nachmittags nicht so richtig hell.

Ich schob also diese Arbeit auf die lange Bank. Die Tage vergingen. Das elektrische Keramikventil lag immer noch dort, wo ich es nach dem Auspacken platziert hatte - auf der Küchenanrichte. Es lag und lag und lag. Meine bessere Hälfte nörgelte morgens an der Qualität des Kaffees herum. Dabei stellte sie auch die provokante Frage, wann ich denn gedenke, die " Jura " endlich wieder heil zu machen. Wieso eigentlich " heil machen "? Das Ding war ja im weitesten Sinne nicht kaputt. Es lieferte leider nur keine heiße Milch, kein heißes Wasser und keinen Wasserdampf mehr. Das war alles!

Gestern war es endlich so weit. Ich raffte mich auf und zog den Stecker. Der Kaffeeautomat stand danach mitten auf dem Küchentisch. Ich holte einiges Werkzeug aus dem Büro und öffnete die provisorisch zugedrückte Außenverkleidung des schweizerischen Kunstwerks made in China. Dann legte ich ungefähr so los:



Was in dem " you tube " - Video so " easy going " aussieht, gerät bei einem mehr als 10 Jahren alten Automaten - Zossen mit einigen 10.000 Bezügen zu einer " Rock ´N ´Roll " - Veranstaltung. Schraubendreher ran, herum gewirbelt, aff glitscht, wieder versuchen! 

So gleichförmig diese Versuche sich auch gestalteten: Irgendwann hatte ich die erste Schlauchklammer gelöst und den Druckschlauch wieder auf das neue - alte Keramikventil gesetzt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen...

Nach mehr als einer Stunde, diversen Flüchen und noch mehr Fehlversuchen, war es endlich so weit. Ich wuchtete das gute Stück wieder auf die Anrichte, füllte den Wassertank, drückte die Abtropfschale nebst Kaffeesatzbehälter hinein und schloss es an der Steckdose an. Dann schaltete ich den Schweizer Automaten an. Das Teil begann wie gewohnt zu rödeln. Es knackte dabei ein wenig. Danach schob ich einen Kaffeepott unter den linken Auslauf und drückte auf die " Heißwassertaste ". Es dauerte, dann zischte - wie gewöhnlich - das Wasser aus den Auslauf in den Pott. Ich machte " die Säge ". Ein Gefühl, als habe just mein SV Werder gegen die " scheiß " Bayern endlich wieder gewonnen.

Ich testete die weiteren Maschinenfunktionen. Alles Roger, sie funktionierte wieder. Es war das elektrische Keramikventil, wie es einige der semi - professionellen User in den Foren prognostiziert hatten. Die Reparatur war erfolgreich. Jetzt gehöre ich auch dazu und kann dort richtig schlau mitreden. Wir Juraisten, wir Kaffeevollautomateneigentüner, wir Hobbyreparaturhilfsarbeiter im Jahre des Herrn 2019, wir sind schon toll. Und zudem männlich. Oder?

  


" Hills " - " Bring Me Sand " - " Master Sleeps " - 2011:





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