Jan Fleischhauers Jahresrückblick 2018 im " SPIEGEL " - Wenn Du denkst, dann denkst Du nur, Du denkst?



Seit fast 45 Jahre bin ich nun " SPIEGEL " - Leser. Zu Beginn meiner Aktivenzeit kostete die wöchentliche Ausgabe 2 Deutsche Mark. Sie erschien pünktlich am Montag und lag auch in den Verkaufsstellen der westdeutschen Provinz mit anderen Druckerzeugnissen zum Verkauf bereit. Ich holte mir den " SPIEGEL " nach Schulschluss von einem Kiosk oder einem kleinen Geschäft an der Promenade in Bad Eilsen. Die Kioskbetreiberin war später ein CDU - Mitglied; der Ladeninhaber zuvor ein so genannter 12 - Ender. Ein ehemaliger Soldat auf Zeit ( SaZ12 ), der als Hauptfeldwebel ( Spieß ) die Bundeswehr verlassen musste, weil er kein Berufssoldat werden konnte. Sein Antrag auf lebenslange Übernahme in den bereits damals wohlig - warmen Staatsdienst wurde abgelehnt.
Das konnte mehrere Gründe haben. Wahrscheinlich war, dass dessen Leistungen und die darauf folgenden dienstlichen Beurteilungen seiner Vorgesetzten nicht ausreichend waren. Manchmal kamen auch diverse Verfehlungen und darauf fußende Disziplinarverfahren dazu. Eher seltener waren fehlende Planstellen der Grund.

Wie dem auch sei, der Ex - Spieß war ein konservativer Knilch. Nicht unsympathisch, aber eben in seiner Lebenseinstellung rückwärts gewandt. Seine - jüngere - Frau zeigte sich als genau das Gegenteil. Sie hatte immer ein nettes Wort, eine lustige Bemerkung oder ein kurzes Gespräch auf den Lippen, eher der Kunde das Geschäfts wieder verließ.

Ich kaufte deshalb meinen " SPIEGEL " lieber bei ihr. Wohl auch deshalb, weil ich der - vielleicht irrigen - Meinung war, dass auch sie SPD - Sympathisantin war oder diese Partei zu Willy Brandt´s - und Helmut Schmidt´s Amtszeiten wählen würde. Die Ehefrau des Ladenbetreibers war somit just das Gegenteil zu ihrem eher muffigen, abweisenden und sich eher wortkarg gebenden Mann. Beide bedienten in dem Verkaufsraum, der noch über ein kleineres Nebengelass, dass als Lager umfunktioniert war, die nicht gerade wenigen Kunden. In Spitzenzeiten stand gut ein halbes Dutzend davon in dem kleinen Geschäft und gab sich danach mit weiteren eintretenden Menschen die Türklinke in die Hand. Das Schuppen musste eigentlich brummen.Doch der Ex - Hauptfeldwebel wurde eher grummeliger zu den Kunden.

Eines Montagnachmittags betrat ich wieder das Geschäft an der Promenade, um den " SPIEGEL " zu kaufen. Ich hatte erneut mit dem Rauchen begonnen und drehte meine Zigaretten selbst. Der Tabak war mir jedoch ausgegangen und so kaufte ich gleichzeitig ein Päckchen " Drum " sowie ein mal " Gizeh " Zigarettenblättchen. Statt der 2,00 DM für das " SPIEGEL " - Heft hatte ich jetzt 4, 70 DM zu bezahlen.  Das Hamburger Magazin titelte damals zu der bestehenden Jugendarbeitslosigkeit. Ich zeigte mit dem Finger auf das Titelblatt und schüttelte leicht den Kopf.  " Unmöglich! ", war mein Kommentar. Die Ehefrau des Landesinhabers pflichtete mir bei. " Manche sind aber auch selbst schuld! ", ergänzte sie dann. " Ja, stimmt! Die haben keine Lust zur Schule gehabt! ", fügte ich dazu.

Dann sagte die Frau plötzlich zu mir: " Bei meinem Mann, dass musste Du nicht so genau nehmen. Der meint das nicht immer so. Der war mal 12 - Ender beim Barras. "
Ich schaute sie an und sagte: " Aha! Das färbt ab! " Dann verließ ich das Geschäft.

Viele Jahre danach erkrankte der Ex - Spieß. Seine Frau führte das Geschäft noch alleine weitere, ehe auch sie aufgab. Den " SPIEGEL " bezog ich längst als Student im Abo. Er kostete jetzt das Doppelte. Aktuell, also beinahe 45 Jahre später, inzwischen mehr als das Fünffache.

Gut, die Welt hat sich längst gewandelt. Allerdings ist sie dadurch nicht besser geworden. Das Gegenteil dürfte eher zutreffend sein. " DER SPIEGEL " berichtet hierüber immer noch. Aber, das Printmedium aus der Champions League des Journalismus musste mittlerweile so manche Niederlage einstecken. Zuletzt haben die Hamburger eingeräumt, dass in ihren eigenen Reihen sich ein Eigentorschütze und manipulativ tätiger Mitarbeiter befand. Aber nicht nur der Fall " Relotius " zerkratzte das Image des Nachrichtenmagazins. Auch die Bilanzen bei den Umsätzen der Druckerzeugnisse, insbesondere die des Flaggschiffes im Verlag, sehen nicht zu rosig aus.

Da sind solche verkaufstechnischen Aktionen, wie die Herausgabe eines Sonderhefts als " Frauen - SPIEGEL " oder des aufgelegten Jahresrückblicks nur ein Weg, sich wirtschaftlich stabil zu halten.

In jenem journalistischen Rückblick für das verstorbene Jahr 2018 findet sich auf Seite 188 ein Beitrag des - nicht unumstrittenen - Mitarbeiters Jan Fleischhauer. Er polemisiert hier - wie auch sonst in schöner Regelmäßigkeit - gegen die SPD. Zugegeben als einstiges Mitglied und Stammwähler dieser, zum Zeitpunkt meiner ersten " SPIEGEL " - Käufe, stolzen und traditionsverhafteten Partei, muss ich unumwunden zugeben, dass diese in der Jetztzeit nahezu konzept - und führerlos auf einem Seelenverkäufer hockend, dem sicheren Abgrund zu mäandert.

Feixend und mit einem hämischen Unterton behaftete, stellte hierzu der Ministerpräsident Hessens Volker Bouffier in seiner Laudatio zum Ende der 19jährigen Regentschaft der CDU - Vorsitzenden Angela Merkel fest, dass in diesem Zeitraum der Hamburger SV allein 23 Trainer verschlissen hat und die SPD 9 Vorsitzende. Der erste Vergleich brachte ihm auf dem Bundesparteitag in Hamburg erwartungsgemäß erheblich Unmutsbekundungen aus dem Mitgliederumfeld ein; die zweite Bemerkung indes führte zu einem wahren Jubelsturm.

Dabei haben die Schwarzen eigentlich auch keinen Grund, sich gemächlich in ihre Furzmole zurückzuziehen und dickbäuchig, auf dem Rücken liegend, darauf zu warten, bis die Gegner aus den Reihen des einst propagierten demokratischen Sozialismus wie ein müffelnder Wind aus dem Raum entfleucht sind. Die CDU und ihre schwarze Dependance in Bayern mussten seit dem Erscheinen des braunen Bruders AfD ebenfalls ordentlich Federn lassen. Ex - Kanzler und CDU - Oberdruide Adenauer wird sich seit her deshalb mehrfach laut ächzend im Grab umgedreht haben.

Nun, gut, aber dem Fleischhauer, Jan, geht es hier nur um den Niedergang des Sozialdemokraten. Die sind zusammen mit anderen angeblichen " Linken " das Hauptfeindbild des " SPIEGEL " - Journalisten. Diese Menschen haben einst seine Kindheit geprägt, seine Jugend verpfuscht und die Zukunft verbaut. Jetzt rächt sich Klein - Jan dafür. Er schreibt über seine Erfahrungen mit vermeintlichen Linken, die in Wahrheit bürgerlich " Linksspießer " waren in einem Buch. Er führt diese Polit - Melange von Links - Grünen und Ex - SEDlern mittels bissiger Kommentare in der eigens hierfür eingerichteten " SPIEGEL " -  Rubrik " Der schwarze Kanal " vor und ergötzt sich daran, dass die vermeintlichen Linke seiner Jugend sich mutmaßlich atomisiert hat und keine " Rotfront " und somit eine Gefahr für dieses Land mehr darstellt.

Fleischhauer versuchte einst, den " Linken " - Politiker Bodo Ramelow, den aktuellen Ministerpräsident des Nachbarlandes Thüringen, im Verbund mit einem hinzugezogenen Lakai namens Marcus Deggerich, in einem " SPIEGEL " - Gespräch vorzuführen. Ramelow konterte ihn souverän aus und drohte, das Gespräch zu beenden. Kein Skandal, aber ein hinreichendes Indiz dafür, dass bei Fleischhauer der Fahrstuhl längst nicht mehr ganz nach oben fährt.
Kritische Fragen, kontroverse Diskussionen und interpretierende Fakten dazu gehören zum Rüstwerkzeug eines Journalisten. Häme, billige Polemik sowie arrogante Beckmesserei indes nicht. Dann wird das Feld der Sachlichkeit verlassen.

Jan Fleischhauer muss sich dieses unprofessionelle Verhalten gegenüber einem vermeintlich politischen Gegner ans Revers seines Sakkos heften. Wenn er denkt, dass er damit seine Traumata aus einer eher sorgenfreien, gut bürgerlichen Familienumfeld, aufarbeiten kann, so ist er schief gewickelt. 
Dennoch schreibt er in seiner Persiflage zu dem sozialdemokratischen Bürgerhaus seiner Eltern in Hamburg selbst entlarvend:

" Meine Mutter ist 1967 der SPD beigetreten, aus Begeisterung für Willy Brandt. Sie hat ihre Mitgliedschaft dort immer ernst genommen, was heißt, dass ich früh lernte, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Warum es der SPD so schwerfiel, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten, wenn sie dieser so haushoch überlegen war, das war eine Frage, die mich schon als Kind beschäftigte. Die Antwort meiner Mutt lautete:
Die Kräfte der Dunkelheit bedienten sich einer Reihe von Methoden, die sich eine Partei wie die SPD nie erlauben könne. Am Ende, das war die tröstliche Aussicht, würde das Gute dennoch obsiegen. "

- Zitatende - aus: " Keine falsche Bewegung ", " DER SPIEGEL ". 49a, / 2018, S. 188

Der Autor ist 1962 in Hamburg geboren worden. In einer Zeit also, in der sich das faschistoide Nachkriegsdeutschland damit abfinden musste, dass es zwei getrennte deutsche Staaten gibt, die zudem durch eine menschenrechtswidrige Einzäunung voneinander abgeschottet wurden. Auch wenn sich die politische Lage in jener Zeit eher verschlechtert hatte, so wird Klein - Jan von all diesem nicht viel mitbekommen haben. Die so genannten 68er hat er bewusst nicht mit erlebt. Die Nachwehen allenfalls, denn der Sohnemann beschwert sich in seinem Machwerk " Unter Linken ... " darüber, dass er eines Tages, als Minderjähriger, von seiner SPD - Mutter dazu angehalten wurde, doch nun ( er war wohl im zarten Alter von gerade einmal 14 Lenzen ) seine Schmutzwäsche selbst in der Waschmaschine waschen zu lassen.

Was für eine Zumutung! Ein Bubi aus wohl situierten Hause soll Haushaltstätigkeiten verrichten, welches ausschließlich der Ehefrau und Mutter zustehen müssten? Fleischhauer hat dieses traumatisierende Erlebnis, jene Impertinenz, die die SPD - Mutter ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, wohl nie verwunden? Deshalb schmäht er diese in seinem obigen Artikel und die ganze Sozialdemokratie von damals gleich mit.

Wäre Jan Fleischhauer 9 Jahre früher geboren worden und hätte er statt seiner, ach so schlimmen Kindheit und Jugend, die Erlebnisse gehabt, die sich während meiner Zeit abspielten, der jute Jan würde längst eine Dauersitzung bei einem Münchner Psychologen oder anderen Seelenklempner verschrieben bekommen. Wenn die eigene Schmutzwäsche waschen - so sein unterschwelliges Kredo - Kinderarbeit darstellen soll, so müsste ich meine aufoktroyierten Tätigkeiten ab dem schulpflichtigen Alter als Zwangsarbeit einstufen.

Er schreibt sich deshalb in seinem Beitrag erneut richtig in Rage. Der Niedergang der SPD habe bereits in den 1970er Jahren begonnen, weil zu viele Studenten in den Ortsvereinen mit von Fremdwörter gespickten Bei - und Anträgen, die dortigen, die oft " nur " malochenen Genossen vergrault hätten und bei missliebigen Gegenmeinungen intolerant reagierten. Undemokratisch sei dabei auch gewesen, dass die politischen Debatten dort bis kurz vor Mitternacht abgehalten worden seien und die werktätigen Mitglieder, die am nächsten Morgen in die Fabriken fahren mussten, deshalb die Sitzungen längst verlassen mussten. Die auf Revolution gestimmten, studentischen " Kader " seien dann solange geblieben, bis entsprechende Beschlüsse in ihrem Sinne gefasst worden seien.

Das mag in den großen oder größeren Ortsvereinen vielleicht der Fall gewesen sein. In den ländlichen geprägten SPD - Ortvereinen  herrschte ein anderes Niveau und auch ein anderer Ton. Da wurde die " Blöd " - Zeitung gelesen, gegen Ausländern polemisiert ( " Kümmeltürken ) und eher zu dem Ausbau einer Ortsumgehung ein Wortbeitrag abgesetzt. Die ideologischen Aspekte der dortigen politischen Arbeit standen ganz weit hinten an.

Die SPD ist aber vor allem nicht an den Nachwehen jener Zeit in den permanenten Abwärtsstrudel geraten. Sie betrieb vielmehr in der Nach - Helmut - Schmidt - Ära eine völlig falsche Personalpolitik, hat die Auswirkungen der deutschen Wiedervereinigung falsch eingeschätzt und Jahre danach ein von Gerhard Schröder auf den Weg gebrachte falsche Sozialpolitik betrieben. Zudem wurde der Nachwuchs vernachlässigt und dem Bestreben vieler exponierter Parteimitglieder nach Macht, Ansehen und Geld nicht stark genug entgegen getreten.

Der " SPIEGEL " - Mitarbeiter verkennt vor allem auch, dass es die traditionell mehrheitliche Wählergruppe, die Arbeiter in der SPD, in der einstigen Form nicht mehr gibt. Durch die gesellschaftlichen Veränderungen und ökonomischen Umwälzungen ist eine andere Form der Arbeitnehmerschaft entstanden. Und die fühlt sich von den Sozialdemokraten weder angesprochen, noch vertreten. Hier hätte die SPD ansetzen müssen. Hat sie aber bereits in den 1990er Jahren eben nicht.

Und weil Merkel die CDU mehr und mehr sozialdemokratisieren konnte, blieben auch viele Wähler aus der angeblichen Mittelschicht bei Wahlen entweder ganz zu Hause oder gaben die Stimme der CDU; bestenfalls den GRÜNEN:
Fleischhauer mag das anders sehen. Aber mit eine Laissez - fair - Politik gegenüber irgendwelchen Kriminellen, gegenüber Ausländern, Flüchtlingen oder gar einer Melange aus allen, diesen Bevölkerungsgruppen hat der SPD - Niedergang nichts zu tun. Auch nicht, dass ein Vorsitzender der Jungsozialisten sich und seine Juso - Genossen als Speerspitze, ja sogar der Avantgarde der Arbeiterschaft zählen möchte.

Fleischhauer wütet auf einer Seite des " SPIEGEL " - Jahresrückblicks denn eher gegen sein eigene Herkunft, seine Eltern und jene Zeit, in denen viele Dinge noch im Aufbruch waren. Als Reformen auch als solche bezeichnet werden konnten und regelmäßig von seinen schwarz - braunen Freunden in der CDU / CSU torpediert wurden. Wäre Fleischhauer in jenem Jahr geschieden worden, in dem ich den ersten " SPIEGEL " erworben hatte, so hätten seine Ex - Frau und er den juristischen Gang nach Canossa, nämlich vor der Zivilkammer des Landgerichts antreten müssen. Dort wäre dann unter den bohrenden Fragen des Kammervorsitzenden die Details aus seiner gescheiterten Ehe zur Sprache gekommen. Eine peinliche, inquisitorische Auflistung aller Verfehlungen während der Ehezeit hätten danach das Scheidungsurteil geschmückt.

Das hat die SPD in den 1970er Jahren durch die Justizreformen des Fachminister Jahn dann abschaffen lassen. Ich höre noch das Zeter und Mordio - Geschrei der damaligen reaktionären und konservativen Abgeordneten aus der Partei seiner heutigen politischen Freunde. Jan Fleischhauer denkt in seinen Artikel zu viel über seine Vergangenheit nach, so dass er denkt, die Leser denken hierüber nicht nach und denken deshalb, das sei die Wahrheit. Doch auch Halbwahrheiten sind Lügen, wenn auch raffiniertere.

Und deshalb wäre Fleischhauer gut beraten, es im Sinne des Ausspruchs unseres verstorbenen Ex - Bundeskanzlers Helmut Schmidt zu halten, der feststellte:

" Wer keine Ahnung hat, soll einfach nur den Mund halten! "




" Electric Moon " - " Brain Eaters " - " Lunatics " - 2010:
















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