Eine halbe Flasche Beaugoelais Superieur



Der 50. Geburtstag eines Menschen ist es alle Male wert, dieses Ereignis gebührend zu feiern. Und dieses mit Familienangehörigen, Verwandten und Bekannten, die in gewisser Weise das eigne Leben mit bestimmen konnten. 50 Jahre ist eben auch ein Grund, um sich zu fragen, was bisher in der Vergangenheit abgelaufen ist.

Da saßen wir nun auf dem vorbestimmten Stuhl an dem vorgesehen Platz und harrten der Dinge, die da noch kommen mögen bis es Punkt Null Uhr dann soweit war. " Happy Birthday to you ". Die Vorgabe klang vielleicht nur gerade so melodisch, der Nachhall eher grausam.

Nun, auch das geschwungene Tanzbein zu den Klängen aus längst vergangenen Zeiten und den Gesängen der Herren Checker - Reichel - Witt, zeigte einst mehr akrobatische Eleganz; aber, wer kann im gesetzteren Alter noch alles haben?

Auch der Konsum jener hoch geistigen Getränke, die einst zu so mancher Kater - Kopfschmerz -Konstellation geführt hatten, hielt sich in Grenzen. Eigentlich war die Rückfahrt mit dem eigenen PKW geplant. Doch im Verlaufe des Abends kamen zu den zwei Glas " Steiger ", ein Glas Sekt und drei " Linie " hinzu, genug, um die gezogenen Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit locker zu überschreiten. Bei meiner besseren Hälfte sah es sicherlich etwas günstiger aus. So überlegten wir kurz, ob sie nicht doch den japanischen Lastenesel zum vertrauten Noch - Heim zurück steuern sollte.

Es war mittlerweile kurz vor 2.00 Uhr. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Polizeistreife im personell abgespeckten Nachtschichtdienst uns begegnen könnte, dürfte eher gering sein. Doch, warum mit dem Feuer spielen, wenn ein etwas längerer Rückweg die risikolose Variante darstellt?

So ließen wir den Packesel stehen und traten per pedes unseren Heimgang an.

Von der Henriette - Heber - Straße führte uns der Heimweg zu der Zwickauer Straße. Und hier entlang der Bauten, einiger Grundstücke, auf denen - vorschriftsmäßig eingezäunt - der Charme der seit bald 30 Jahre nieder gegangenen DDR war in den fahlen Lichtkegeln der Straßenlampen noch schemenhaft fest zu machen. Und just in Höhe des Betriebsgeländes der Deutsche Bahn, auf dem sich auch das Dresdner Eisenbahnmuseum befindet, fiel mir eine Geschichte aus einem Wirtschaftsprivatrechtseminar ein, die ich vor mehr als 42 Jahren bei einem Dozenten der damaligen Fachhochschule für Wirtschaft in Wilhelmshaven besuchte.

 Der einstige Fachhochschullehrer mit Namen Dr. ( jur ) S. versuchte die ansonsten staubtrockenen Veranstaltungen durch eingestreute Witze, Gags und Fragen aus dem Alltagsgeschehen ein wenig aufzulockern. Dr. S. ließ es also richtig locker angehen.

Und so fragte er die versammelten Studenten denn eines Tages, ob eine am Abend getrunkene halbe Flasche Rotwein der Marke " Beaugelais Superieur " die einst geltende Grenze von 0,8 Promille überschreiten würde. Die Meinungen hierüber gingen so weit auseinander, wie es auch später die Zensuren bei der Schröder´s Klausur im Pflichtfach " Wirtschaftsprivatrecht " sein sollten. Die Mehrheit hielt den Rotweintrinker für noch fahrtüchtig, sein Genuss würde deshalb keinen Straftatbestand erfüllen. Doch es gab auch damals schon einige - gesetzestreue - Mahner unter den anwesenden Studenten. Diese Minderheit sollte tatsächlich das Recht auf ihrer Seite haben.

So eierte ich - hierüber dozierend - auf dem Gehweg, der den Namen nie und nimmer verdient - an der Zwickauer Straße entlang und stellte mir dabei selbst die Gewissensfrage, ob ich tatsächlich fahruntüchtig sei. In dem Zeitraum von 18.00 Uhr bis 01.30 Uhr hatte ich zwei 0,5er " Steiger ", 3 " Linie " - Aquavit und 1 Glas Sekt getrunken. Dazu mehrere Glas Wasser konsumiert sowie einige Speisen vom Kalten Buffet hinein gelassen. Eigentlich hätte die entscheidende 0,5 Promillegrenze damit nicht überschritten sein müssen.

Doch die Realität sieht anders aus, wie mir ein Portal, innerhalb dessen sich ein " Promillerechner " aufrufen lässt, eindeutig belegen konnte. Summa summarum waren es 0,846 Promille, die ich intus hatte. Zuviel, um noch mit einem Blauen Auge davon zu kommen. Auch nach den 1976 geltenden gesetzlichen Vorgaben wäre ich unter Alkoholeinfluss gefahren und hätte somit eine Straftat begangen.

Das traf auch für den " Beuagoleais Superieur " - Genißer zu. Er war fahruntüchtig.

Dieses Wissen abrufend, spielten wir keine Lotterie, sondern pflügten uns durch den mistigen Gehsteige der Zwickauer Straße durch. Dabei fragten wir uns erneut, wo die Stadtverwaltung eigentlich die zweistelligen Millionenbeträge, die sie jedes Quartal als Grundsteuer kassiert, lässt. Wahrscheinlich in die Prestigeobjekte im Stadtkern. Dort sehen wir nur geleckte Gehsteige, in Schuss gehaltene Straßen und nicht einmal mehr die Bauruinen aus DDR - Zeiten.

Nach etwas mehr als einer halben Stunde waren wir wieder im warmen Heim. Wir hatten zwar keine Polizei gesehen, dafür jede Menge Schlaglöcher und Unebenheiten auf den Gehwegen und konnten einige Kalorien verbrennen, die wir im Verlaufe des Abends mit den Speisen und Getränke aufgenommen hatten.
Immerhin auf ein guter Grund, den PKW am Sonntagnachmittag mit einem Spaziergang bei sonnigen Winterwetter zurückzuholen.

Es lebe der " Beaugoleais "!


" Ampacity " - " Asimov´s Sideburns " - 2013:


 

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