Drittwiderspruchsklage
Die Juristerei kann manchmal kompliziert sein; sehr kompliziert sogar. Weil sie für die Mehrzahl der Bürger in diesem, unserem, Lande, eher ein Buch mit Sieben Siegel sein dürfte, kamen zunächst die beiden öffentlich - rechtlichen Grundversorger vor fast 55 Jahren auf die glorreiche Idee, Mama Justitia ein wenig Wohnzimmer kompatibler zu gestalten und sendeten jeweils entsprechende Formate.
Ein Vierteljahrhundert später waren dann die Gerichtsshows in Mode. Die Privaten hatten dieses Format für sich wieder entdeckt und übergossen den, zunehmend aus dem Prekariat stammenden Glotzer, mit einer Soße aus Mode - Klamauk, Komik und rhetorischen Kunststücken.
Zu Beginn dieser Verdummungssendungen hatte es die gute Barbara Salesch noch mit realen, wenn auch kuriosen Fällen zu tun. Später glitten diese, für die Sendungen zusammen gemixten Prozesse in das Reich von Absurdistan ab.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerichtssendung
Dabei sind die realen Gerichtsverfahren keineswegs so fade, wie es dem neutralen Betrachter manchmal vorkommt. Oft gesellen sich nämlich rund um die Prozesse herum einige seltsame Dinge, die sogar eine gewisse Eigendynamik entwickeln können.
Als ich in den späten 1990er Jahren bei einer Kollegin im Büro aufschlug, um mit dieser eine Kuriosität in einem Scheidungsverfahren zu diskutieren, glaubte ich zunächst an ein Märchen aus 1001 Nacht. Was diese mir schilderte, war wirklich zu absurd, um wahrhaftig zu sein. Ein Stück aus dem Kabinett mit dem Titel " Das darf doch wohl nicht wahr sein. "
Die Kollegin hatte sich von ihrem alkoholkranken Ehemann getrennt und lebte noch in der vor Jahren gemeinsam erworbenen Eigentumswohnung im schnicken Bremer Stadtteil Schwachhausen. Dort, wo Professoren, Ärzte, Politiker, höhere Senatsbeamte, einige Anwälte oder gut situierte Kaufleute oder Unternehmer ihre Häuser hatten.
Die Scheidung lief nicht ganz geräuschlos ab. Der Noch - Mann war mittlerweile bei seiner Neuen eingezogen und die hetzte ihn ordentlich auf. Es flogen die Fetzen und die Familiengerichtsverfahren türmten sich zu einem veritablen Stapel Papier. Der zuständige Richter musste somit Schwerstarbeit leisten. Zunächst ging es um die üblichen Dinge, wie Kindes - und Ehegattenunterhalt während des Getrenntlebens. also so genannter Trennungsunterhalt. Bis das Hanseatische Oberlandesgericht über die von einem damals namhaften Rechtsanwaltsbüro bei dem Familiengericht Bremen eingereicht worden war, entscheiden konnte, verging beinahe 1 Jahr. Deshalb hatte der beauftragte Rechtsanwalt gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er für die beiden minderjährigen Töchter und die Kollegin den Mindestunterhalt von dem Ehemann einforderte.
Die auf die ergangene einstweilige Anordnung von dem Mann über seinen Rechtsanwalt eingelegte Beschwerde wurde abgebügelt. Der Mann musste deshalb zunächst zahlen. Aber er weigerte sich beharrlich, wie er es im Vorfeld zu dem Unterhaltsverfahren bereits schon getan hatte. Also ließ die Kollegin über ihren Anwalt eine Gehaltspfändung einbringen. Das saß. Der Noch - Kerl tobte wie Rumpelstilzchen, stieß ihr gegenüber am Telefon die übelsten Verwünschungen aus und drohte mit einem Rachefeldzug.
Der folgte. Und zwar schon bald. Der Knilch ließ über seine bevollmächtigten Kollegen die Eigentumswohnung in Schwachhausen zwangsversteigern. Bei der so genannten Teilungsversteigerung muss der andere Ehegatte den hälftigen Anteil an dem Objekt entweder von dem Noch - Partner kaufen oder dem Verkauf zustimmen. Die werte Frau Kollegin war einst finanziell nicht in der Lage die Wohnung zu erwerben, zumal diese noch hoch belastet war. Also betrieb der ehemalige Gatte die Zwangsversteigerung. In einem solchen Fall gewinnen nur Dritte. Will heißen: Der Erwerber, der den Zuschlag erhält, die Bank, die eine Grundschuld auf das Objekt inne hat sowie die beteiligten Rechtsanwälte und Papa Staat, der saftige Gerichtsgebühren erhebt.
So werden aus erworbenen Grundeigentum letztendlich weitere Schulden, die sich schnell in exorbitante Höhen aufsummen können und lebenslang verbleiben, wenn kein Privatinsolvenzverfahren angestrebt wird. Ein ruinöser Ablauf, der kaum zu stoppen ist.
Die Kollegin musste also die Wohnung räumen, in der sie vor vielen Jahren nicht nur die beiden Töchter groß gezogen hatte, sondern auch das Säuferelend ihres Mannes zu erleiden hatte. Der alkoholkranke Noch - Mann aber ließ zuvor den beauftragten Gerichtsvollzieher in der chicen Eigentumswohnung Rock `N `Roll tanzen. Als dieser dort aufschlug pfändete er sie beinahe kahl. Er klebte seinen " Kuckuck " auf alles Verwertbare, was nicht dem Pfändungsschutz unterlag. Als da waren: Ein " Steinway " - Flügel, auf dem die älteste Tochter V. einst private Klavierstunden erhielt, auf die Designer - Lampen von " Prediger am Wall " in der schönen Hansestadt und auch auf die hochwertige Esstischgarnitur. Dann klebte er das Pfandsiegel auch auf drei kostbare Gemälde, die an der Wohnzimmerwand hingen. Es waren Geschenke der Eltern der Frau Kollegin, die diese zur Hochzeit und zum Einzug erhalten hatte.
Den hängenden, durchaus wertvollen Gemälden indes, war deren Herkunft nicht anzusehen. So pappte Freund Obergerichtsvollzieher sein Pfandsiegel auf deren Rückseite und vermerkte dieses in dem Pfändungsprotokoll. Die werte Frau Kollegin protestierte, doch es half nichts. Auf den Bildern klebte das Recht des längst ausgezogenen Ehemannes. Die empörte Frau wandte sich an ihren beauftragten Prozessvertreter und der offerierte ihr doch tatsächlich, sich gegen die Pfändung erfolgreich zur Wehr setzen zu können.
Ein gewaltiger Trugschluss, wie sich Monate später herausstellen sollte.
Bei dem trotteligen Rechtsanwalt handelte es sich um den damals als " Scheidungspapst " titulierten Rechtsanwalt und Notar K., der zusammen mit einem Dr. R. eine Kanzlei in der Innenstadt betrieb.
So erhob der Rechtsanwalt K. be dem Familiengericht wegen der erfolgten Bilderpfändung Drittwiderspruchsklage. Hierzu sollte der Laie wissen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Drittwiderspruchsklage#Zulässigkeitsvoraussetzungen_der_Drittwiderspruchsklage,_§_771_ZPO
Wie der gute Rechtsanwalt diese Klage begründet haben will, ist mir noch heute schleierhaft. Die Bilder wurden von der Mutter / den Eltern einst geschenkt. Damit haben diese den Besitz und das Eigentum an den Gemälden mit der Übergabe aufgegeben. Ein Dritter war demnach durch die erfolgte Pfändung gar nicht in seinen Rechten beeinträchtigt. Dennoch reichte K. das Monstrum ein und bekam erstinstanzlich bei dem Familiengericht Bremen in Gestalt des Richter Dr. B. Recht.
Die Zwangsvollstreckung wurde zuvor per einstweiliger Anordnung vorläufig eingestellt. Die gepfändeten Bilder blieben bei der Frau Kollegin in der chicen Eigentumswohnung hängen und kamen nach vier Wochen eben nicht unter den Hammer.
Doch der beauftragte Rechtsanwalt des Ehemannes sah das Urteil so, wie es zu sehen war: Es stellte hanebüchenen Mist dar.
Weil auch die Familienrichter keine Ahnung hatte, urteilte er im Sinne des einstigen " Scheidungspapstes ", den er aus vielen Verfahren zuvor schon kannte. Weil man sich kannte, war man sich eher wohl gesonnen. Und von einem " Scheidungspapst " kann nun einmal nichts falsches kommen. Der Papst ist heilig, er schwebt somit über den Dingen und seien sie noch so profan, wie es eine Drittwiderspruchsklage eigentlich sein sollte, wenn es um drei schöne Gemälde geht.
So bleibt dennoch die erhellende Erkenntnis, dass Mist plus Mist, doch tatsächlich Bockmist ergibt.
Der Anwalt des Noch - Mannes legte gegen das " Bockmist " - Urteil Berufung ein und bekam in der höheren Instanz - wie nicht anders zu erwarten - voll umfänglich Recht. Das erstinstanzliche Urteil wurde aufgehoben und die Klage als Drittwiderspruchsklage abgewiesen. Die Kosten hatte die Ehefrau und Kollegin zu tragen.
Die erzählte mir nun von diesen Stück aus dem Gruselkabinett. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich den Schund in dem Urteil der ersten Instanz las.
Die Bilder waren inzwischen aus der Wohnung verschwunden. Die Kollegin hatte die Forderung beglichen. Den weiteren Ablauf der Zwangsvollstreckung wegen einer saftigen Kostenrechnung aus irgendeinem Nebenverfahren hatte sich die werte Frau Kollegin erspart.Die Bilder erhielt die noch lebende Mutter zurück. Bevor die nächste Kostenkeule wegen der dämlichen Drittwiderspruchsklage auf die Kollegin zukommen konnte, hatte sie den informellen Weg gewählt. Getreu dem Motto: " Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren ".
Das galt übrigens auch für die Rechtskenntnisse des beauftragten Rechtsanwaltes K., des angeblichen " Scheidungspapstes " und des Familienrichters Dr. B.
Warum nicht gleich so?
" Roxy Music " - " Mother Of Pearl " - " Stranded " - 1973 ( Live im Bremer " Musikladen , Januar 1974 ):
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