Aus den 1950er Jahren und der Kindheit in der Provinz

Als ich 1953 geboren wurde, war die Welt ein völlig andere. Es gab nicht die beruflichen, finanziellen, aber auch nicht jene Freizeitmöglichkeiten, die heut zutage theoretisch jedem Bürger eines Industrielandes zur Verfügung stehen oder zumindest angeboten werden. Das Leben war eher einfach gelagert; so 8 Jahre nach dem Kriegsende.

Unsere Eltern hatten ein Grundstück in Heeßen von den Großeltern erhalten und konnte dort ein zunächst sehr bescheidenes Haus bauen. Ohne einen Kredit, den die örtliche Sparkasse gewährte und für den auch noch die Rente der Großeltern zur Besicherung herhalten musste, wäre das allerdings nie möglich gewesen.

In diesem überschaubaren Wohnverhältnissen wuchsen dann mein ein Jahr jünger sowie meine 1955 geborene Schwester mit mir auf. Wir waren zu dritt. Dieses bedeutete zunächst, dass alle Dinge geteilt werden mussten. Eine Deutsche Mark, die unsere berufstätigen Eltern verdienten, war demnach nur 20 Pfennig wert. Eine Tüte Bonbons, die wir - wenn auch eher sehr selten - geschenkt bekamen, hatte demnach für jeden von uns ein Drittel des tatsächlichen Inhalts.

Die eher armen Lebensverhältnisse änderten sich auch dadurch nicht, dass unsere Mutter einige Jahre später zunächst als Serviererin in einer Gaststätte mit dem Namen " Jägerstuben " an den Wochenenden zusätzlich neben ihrem Job als ungelernte Verkäuferin in dem Lebensmittelgeschäft H. H. Wienecke arbeiten ging.

Weil sowohl sie als auch unser Vater, der als Maurer ein sehr geringen Verdienst nach Hause brachte und deshalb noch Schwarzarbeit in der Nachbarschaft machte, sehr wenig Zeit hatten, wuchsen wir die ersten Jahre eher bei unseren Großeltern auf.

In dieser Zeit bis zur jeweiligen Einschulung ab 1960, hieß der Spielplatz Haus, Hof und Garten. Später dann das Feld vor dem Haus, der Wald, der sich Harrl nennt oder die Straße, die immer noch Feldstraße heißt. Hier wurde unser Betätigungsgebiet, das wir zusammen mit einigen Nachbarkindern jeden Tag aufs Neue erkundeten.

Spielzeug gab es zu jener Zeit wenig. Es war teuer. Unsere Eltern konnten und wollten sich dieses nicht leisten. So wurde manchmal auch der anliegende Hühnerstall der Spielplatz, der Dachboden des Schuppens oder die Gemüsebeete im Garten. Die Kindheit in den 1950er Jahren war deshalb sehr einfach. Auch dann noch, als unsere Eltern uns einen Kinderroller kauften, den wir - wie anderes Spielzeug dann auch - genauso zu teilen hatten. Jeder von uns durfte mal damit fahren.

Das war dann öfters mit Streitereien verbunden . Aber auch sonst gab es regelmäßig Streit unter uns Geschwistern. Doch wenn es gegen die Kinder aus der Nachbarschaft ging, hielten wir zusammen. Auch dann, wenn unsere Eltern, die dann und wann wegen der vielen Arbeit überfordert waren, uns schlecht behandelten und prügelten.

Sehr viele Erinnerungen habe ich an die ersten Jahre bis zur Einschulung nicht mehr. Ich weiß nur, dass meinem Bruder, der häufig nicht so viel Schiss vor allen Gefahren die auf Kinder lauerten, so manches Missgeschick widerfuhr. 

So steckte er an einem Tag, an dem unser Vater ein Zimmer vorrichtete, seinen Finger in die offene Steckdose. Weil der Strom nicht abgestellt war, bekam er  " Eine gewischt " und hing zitternd mit dem Zeigefinger an der Steckdose, ehe unser Vater ihn von dort wegreißen konnte.

Ein anderes Mal verschluckte er ein größeres, rot farbiges Kirschbonbon, so dass dieses in der Luftröhre stecken blieb. Mein Vater sah, dass mein Bruder bereits im Gesicht blau angelaufen war, schnappte sich ihn an den Beinen, presste diese zusammen, hob ihn kopfüber hoch und schlug mit der Faust auf seinen Rücken. Das Bonbon fiel aus seinen Mund. Er hatte damit sein Leben gerettet, weil mein Bruder erstickt wäre.

Ein weiteres Unglück geschah, als mein Bruder mit uns und anderen Nachbarkindern an der Aue spielte. Auf der gegenüberliegenden Seite erschienen plötzlich zwei oder drei größere Jungs, die uns sofrt mit Kieselsteinen bewarfen. Ein Stein traf die Brille meines Bruders. Das Glas splitterte und er erlitt dabei eine Verletzung, die bei dem Arzt in Bad Eilsen behandelt und sogar genäht werden musste. Mit weniger Glück, hätte er auf einem Auge nur noch sehen können.
Wir kannten die Jungs und erzählten es unseren Eltern, die sich später bei dem Elternhaus der Steinewerfer meldeten und das Geld für die zerstörte Brille zurück verlangten.

Mein Bruder hatte - im Gegensatz zu mir - eben mehr Pech als ich. Doch auch er kam irgendwie doch unversehrt aus dem Vorschulalter heraus und musste ab Sommer 1961 - wie ich ein Jahr zuvor auch - die Volksschule in Heeßen besuchen.  Damit begann für ihn ebenfalls ein neuer Lebensabschnitt.


ERIC BURDON & THE ANIMALS  -  When I Was Young  -  1968:



Bilder von damals habe ich - wie bereits gesagt - nicht mehr. Schade!








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