Frühlingslauf


 

Gestern war nun der 20. März 2024. Der Geburtstag meiner besseren Hälfte. Da wir beide im gleichen Jahr geboren sind, unterscheiden uns oft nur Marginalien bei dem einst Erlebten. Deutsch war vor Jahrzehnten eben deutsch. Ganz egal, ob Ost oder West. 

Weil das so ist, haben wir uns inzwischen zwar viele Ereignisse aus der Zeit danach manchmal mehrfach erzählt, doch dadurch wurden diese Geschichten nicht weniger interessant.

So war es denn auch gestern Vormittag, als wir uns auf einen weiteren Lauf rund um das Mallershofer Holz begaben.

Begleitet von singenden Feldlerchen, schlagenden Finken und klopfenden Spechten schrubbten wir die etwas mehr als 8 Kilometern bei zirka 10 Grad und sonnigen Wetter eher mühsam ab. In den Pausen dazwischen konnten wir uns sogar auf die trotz des nächtlichen Regens schon wieder trockene Bank setzen. Und hier erzählte mir meine bessere Hälfte zum x-ten Mal, wie ihre Eltern, die längst verstorbenen Schwiegereltern, jene eher privilegierte berufliche Stellung in der DDR - Wirtschaft dazu nutzten, um einen für die damaligen Verhältnisse üppigen Lebensstil zu frönen.   

Die Auslandsreisen ( soweit von staatliche Seite erlaubt ), die Geburtstagsfeiern mit einer Reihe von erlesenen Speisen und Getränken aus einem " Luxushotel " in Dresden und das Gebranse mit teuren DDR - Autos, all das kam bei ihr wieder hoch. Immer wieder die gleichen Vorwürfe, die darauf abzielten, die eigenen Eltern als zum größten Teil lebensunfähig darzustellen.

Dabei war dieses nur Ausdruck einer gelebten, ungleichen Ehe. Eine Form von Flucht aus dem tristen Berufsalltag, der sich zwischen Öffnen der maroden Eingangstür einer Reinigungsannahmestelle auf der Kesselsdorfer Straße in der jetzigen sächsischen Landeshauptstadt und dem Zuschließen dieser, festmachen lässt. Öden Arbeitstätigkeiten an der Bügelmaschine, an der Theke und in dem Hinterzimmer, in dem jene, mit chemischen Reinigungsmittel behandelte Kleidungsstücke jenes Giftstoffe wieder ausdünsteten.

Ja, ein solches Leben, ein derartiger, überschaubarer Tagesablauf ödet jeden Selbständigen auch zu DDR - Zeiten an. Das dank eines Einheitssteuersatzes von lediglich 16 % auf die gesamten Einnahmen ermöglichte und durchaus angenehme Dasein versüßten die Eltern sich in Form von Urlaubsreisen und dem Kauf von Artikeln, die dem Durchschnittsbürger der DDR verwehrt blieben.

Nach dem Zusammenbruch des Staats - und Gesellschaftssystem made in GDR kam irgendwann die bittere Erkenntnis, dass die angebliche Freiheit nicht viel wert ist, wenn das Geld fehlt.

Wie wahr, wie wahr!    

Der soziale Abstieg begann in den frühen 1990ern. Das Leben im geeinten Deutschland wurde immer kostspieliger, wenn davor ein solches durch üppige Einnahmen gekennzeichnet war.

Wir standen von der Holzbank inmitten der langsam wieder erwachenden Natur auf und setzten unseren Lauf fort.

Die Feldlerchen sangen, die Finken schlugen, die Spechte klopften. Das Leben ist auch mehr als 18 Jahre nach dem Tod der Eltern ein ewiger Kreislauf, der mutmaßlich nie endet. Jetzt ist Frühling, es folgt der Sommer, der Herbst....

Nach eben 8,08 Kilometern war unser Frühlingslauf an jenem 20. März 2024 beendet.  


TEN YEARS AFTER  -  Circles  -  Cricklewood Green  -  1970:


  


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?