Tagesbaustelle - Tampon - Thuja Hecke
Heute ist erneut Montag. Der erste Montag im neuen Monat März. Ein grauer Tag, denn der Himmel ist seit den frühen Morgenstunden bedeckt. Es ist inzwischen nicht mehr so kühl. Das Thermometer erreicht sogar knapp den zweistelligen Plusgradebereich. Immerhin etwas frühlingshaftes im kalendarischen Vorfrühling. Ein Montag ist für mich - wie schon häufiger geschrieben - immer blau. Nicht, weil der Himmel sich dort so zeigt, auch nicht, weil ich die Maloche oder davor die Schule in schöner Regelmäßigkeit geschwänzt hätte. Dass dieses nie passieren kann, dafür sorgte bereits unsere Mutter, die einst wie ein Zerberus drüber wachte, dass am Wochenbeginn auch alles so geordnet abläuft, wie sie es davor exakt durchplante. Über meinen, über alle Köpfe hinweg.
An jenen Blauen Montag also, zog ich nach dem Mittagsschläfchen meine bordeauxrote Lederjacke, die wir vor knapp 5 Jahren in Ahrenshoop auf dem Darß günstig erworben hatten, an und verließ das Haus in Richtung der hiesigen " Volksbank " - Filiale, die sich im Ortskern an der " Obere Hauptstraße " befindet.
Meine bessere Hälfte hatte nach einer ausgiebigen Recherche im Netz eine gebrauchte, zirka eineinhalb Jahre alte " Bullfrog " - Coach gekauft, die wir am kommenden Donnerstag Irgendwo aus einem oberbayrischen Ort abholen wollen. Dazu benötigen wir aber Bargeld. Und einen Teil der vereinbarten Summe sollte nun der Bankautomat ausspucken.
Nach einigen Dutzend Metern in Richtung der gegenüberliegenden " Maisteigstraße " wurde es plötzlich laut. Ein so genannter Rüttler, den ein Mann im Arbeitsanzug bediente, beackerte eine Fläche vor einem Hauseingang. Der Arbeiter trug, trotz des infernalischen Lärm, keinen Gehörschutz, keinen Bauhelm, keine Handschuhe und keine Sicherheitsschuhe. Er bediente den Krachmacher im Sinne der vielen Bestimmungen der Arbeitsschutzverordnung quasi nackt.
Vor mehr als 45 Jahren, als ich an der " Hochschule für Wirtschaft " in Bremen die Ansätze der weit verbreiteten Kapitalismuskritik durch entsprechende Dozenten vermittelt bekam, hätte dieses jene theoretischen Ansätze eines auf Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, dabei ohne Rücksicht auf die menschliche Gesundheit, voll umfänglich bestätigt. Einige Jahre danach und spätestens seit dem Untergang des zweiten deutschen Staates, der DDR, dem damit verbundenen Niedergang der DKP und der späteren Pensionierung der meisten Hochschullehrer mit systemkritischen Lehrauftragsverständnis, wurde mir klar, dass es in den Ländern des so genannten Ostblocks in Sachen Arbeitsschutz sogar noch schlimmer war.
Ich ging eine Schritte auf dem Gehsteig weiter und erkenne linksseitig, am Rand der Rasenfläche ein Tampon liegen. Genauer gesagt, ein bereits benutzen Tampon. Was hat ein solcher Hygieneartikel auf einer gepflegten Rasenfläche zu suchen? Diese Frage stellte ich mir einige Male. Vielleicht hatte eine Dame der Tampon ( nicht das Tampon ) an jenem Blauen Montag dort bewusst entsorgt? Verloren kann die einstige Benutzerin des aus gepressten Mull oder Watte bestehenden Bausches wohl nicht haben? Also muss der Tampon dort bewusst hingeworfen worden sein. So, wie einst die vielen Hunderttausenden FFP 2 - Masken, die arglos irgendwo in der Natur ihr Ende gefunden haben? So, wie jene Müllhaufen, bestehend aus Speiseresten, Grillkohle und jeder Menge Glas - und Plasteflaschen, die von Feierwütigen während der beiden Corona - Jahre in schöner Regelmäßigkeit auf den Wiesen und an den Rändern des Hollener - und Echinger Sees aufzufinden waren?
Ich konnte die mir selbst gestellte Frage nicht beantworten. Dennoch empfand ich den dort liegenden Hygieneartikel als eine Zumutung. Und empörte mich darüber auch noch, als ich den Gehsteig entlang der " Lohhofer Straße " in Richtung Ortskern nutzte. Dort befindet sich seit einigen Monaten eine Baustelle. An der Straßenecke zum " Klosterweg " fehlt wurde vor Monaten ein leer stehendes Gebäude abgerissen. Nun sieht der Passant dort in einen Krater, in dem die Bauarbeiter ein Eisengeflecht eingezogen haben, das mit Beton ausgegossen wird.
Ich nehme deshalb den ausgeschilderten Umweg über einen Stichweg zur " Hufeisenstraße ". Auf dieser Strecke wäre ich beinahe gestolpert. Die Betondecke hatte sich an einigen Stellen angehoben, weil die Thuja - Hecke des linksseitigen Grundstücks ihre Wurzeln unter der Erde weiter getrieben hatte. Das war das Ende der aus einzelnen Lebensbäumen bestandenen Hecke. Jetzt standen dort nur noch Gerippe. Ich eierte einige Metern entlang dieser aus Skeletten bestehenden Grundstückseinfassung und erinnerte mich dabei an diese, wie Unkraut wachsenden Bäume, die vormals auch eine Seite unseres Grundstücks zierten. Die grüne Wand nahm nicht nur uns das Licht und die Sonne. Wir haben die Bäume allesamt entfernt.
Als ich den Kartenautomat erreicht und meinen Auftrag zur Geldauszahlung erfüllt hatte, überlegte ich auf den Rückweg, ob ich mir das traurige Bild der kastrierten Thuja - Lebensbäume erneut ansehen sollte. Ich entschied mich dagegen und nahm den direkten Weg über die " Hufeisenstraße " zurück zur " Trezzanostraße ".
Währenddessen sinnierte ich über den Zweck derartiger Bepflanzungen. Es war einst en vogue, in den Gärten Thuja - Lebensbäume zu setzen, denn sie gelten als robust und schnell wachsend. Doch wie vieles im Leben vergeht auch ein Trend und es folgt ein neuer, von den vielen Anbietern vorgegebenes Angebot. Die alten Bäume haben ihre Schuldigkeit getan, sie werden entsorgt, so wie der Arbeiter an der Tagesbaustelle vor dem Hauseingang, wenn er zu alt für diesen beruf, eine solche Knochenarbeit ist oder auch, wie der Tampon, über den ich mich ein wenig echauffierte, weil er achtlos auf einer Grünfläche weggeworfen wurde,
Eigentlich stellt dieses alles ein Armutszeugnis über den Zustand einer angeblichen Zivilgesellschaft dar.
SHELS - Plaints Of The Purple Buffalo Pt. 1 & 2 - 2011:
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