Abgekühlt


Ab Freitagnachmittag zog eine graue Wolkendecke aus Richtung der etwa eine Stunde Fahrzeit entfernten Alpen auf; der unangenehme Westwind blies dazu und drückte die fast stehende Luft aus jenem Teil Oberbayerns langsam fort, der da gemein hin als Alpenvorland bekannt ist. Eine Gewitterfront ballte sich aus dem Südwesten kommend, über uns zusammen und brachte einige Stunden später die lang ersehnte Abkühlung.

Ab Samstagmorgen war es dann auch mit den heißen Tages - und den eher unerträglichen, tropischen Nachttemperaturen vorbei. Das Außenthermometer fiel rapide um zirka 12 Grad, wenngleich im Haus selbst immer noch 25 ° C angezeigt waren. 

Was sollen wir anziehen? Drinnen ist es noch wie in einem Backofen, draußen aber war es inzwischen merklich kühl. So um die 16 Grad. Schwitzend zog ich es dennoch vor, für den geplanten Spaziergang zum " Bio Hof " an der Hollener Straße sowie entlang der gegenüber liegenden Bahnstrecke, eine lange Hose anzuziehen und gleichfalls ein langärmeliges Shirt zu tragen.

Nach dem obligatorischen Brunch und einer kleinen Mittagsruhe stiefelten wir los. Der Weg führte uns an mittlerweile abgeernteten Feldern vorbei. Dann und wann aber stand da noch ein Maisfeld, das in etwa mannshohe Pflanzen erkennen ließ. Meine bessere Hälfte puhlte zwei Kolben aus der Pflanze, die ich dann zusammen mit den " Bio Eier " vom Bauernhof nach Hause trug. Die meisten - bayrischen - Bauern sollten sich eigentlich nicht beklagen. Der Sommer 2022 hat ihnen nicht nur ein " Bombenwetter " mit zum Teil ergiebigen Regenfällen gebracht, sondern die Ernten waren trotzt der vielen Hitzetage im abgelaufenen Juli mehr als zufrieden stellend. Zudem hat nun der Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir verkündet, dass sie im nächsten Jahr die von der EU verordnete Fruchtfolgewechsel nicht einhalten müssen. Außerdem dürfen sie die so genannten Brachflächen bewirtschaften.

Besser könnte es für die Herren Landwirte aus Deutschland, die in schöner Regelmäßigkeit ihren Unmut über die noch vor fünf Jahren von einer SPD - Bundesumweltministerin angedrohten gesetzlichen Auflagen mittels wohl organisierter Protest - Fahrten in einem mindestens 50.000 Euro teuren High Tech - Traktor medienwirksam zum Ausdruck brachten, kaum gehen. Der Euro ( Rubel zu sagen ist bei der schwarz wählenden und denkenden Avangarde verpönt ) rollt und rollt und rollt, weil die Preise steigen und steigen und steigen. 

Super - Sommer 2022!

Nun, unsere noch verbliebenen Bauern in der Gemeinde, über deren tägliche Ausdünstungen sich vor kurzem ein wohl habendes Pensionärs - Duo aus München nicht nur öffentlich beklagte hatte, profitieren auch noch in anderer Weise von dem " Bombenwetter ", das ja die " Corona - Krise " der beiden vergangenen Jahre vergessen lässt, denn die Masse Mensch treibt es bei solchen - kaum zu ertragenen - Hitzegraden nach draußen, wohl die Ansteckungsgefahr eher geringer ist, denn sie haben ihre Wiesen und Äcker für das heute endende Wochenende verpachtet. 

Die als " Brass Wiesn " - europaweit - bekannte Veranstaltung, bei der sich Blasmusiker zu einem lautstarken Stelldichein treffen und hierbei knapp 20.000 Besuchern ihre Zwölfton - Werke kredenzen dürfen, findet in 2022 wieder statt. Ganz zur Freude der Organisatoren oder Veranstalter, denn denen drohte Tante " Corona " erneut den Garaus zu machen. Und, wäre es nicht so ein " Bombenwetter " im Sommer 2022 zu verzeichnen, die Hochstimmung innerhalb jenes trötenden Saufgelages hätte sich so nicht entwickeln können. Doch der " Wettergott ", der nicht nur Krachledern trägt, katholisch getauft ist und dem rollenden Euro gut sein dürfte, er war sehr gnädig gestimmt.

So fuhren lange Karawanen von beglückten Besuchern, Musikern und Mitarbeitern, von den Autobahnen A 9 und A 92 aus kommend in Richtung Veranstaltungsgelände, dass für sie bereits in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag geöffnet wurde. Endlich wieder lebn! Ohn lästige Auflagen, Verbote, Gebote!

Na, ja, wir waren auch mal jung. Auch wenn dieses mehr als ein halbes Jahrhundert her ist.

Der Freitagabend dräute heran. Es wurde draußen immer stickiger, schwüle Luft waberte, getrieben von diesem ewig währenden, ekeligen Westwind durch die geöffneten Türen. Draußen grollte, grummelt, blitzte es am Horizont. Das er vorher gesagte Gewitter war im Anmarsch.

Ich ging nach dem Abendessen in mein Arbeitszimmer, in dem fast Saunatemperaturn herrschten. Daran änderte sich auch nicht besonders viel, nachdem ich das Velux - Fenster bis zum Anschlag aufgerissen hatte. Nach einer halben Stunde am PC wurde es langsam dunkel. Das Gewitter hatte sich immer noch nicht entladen. Es blitzte und grollte aus der Ferne, bis dann der elende Westwind die Regenwolken über den Ort getrieben hatte und es langsam tröpfelte. 

Aus östlicher Richtung ertönte Schwall weise das Nerv tötende Getröte der Blasmusikanten. Ich schloss das Fenster wieder. Der Regen prasselte nun stärker herunter und benetzte die Scheibe. In feinen Rinnsalen floss das Wasser die schräg stehende Scheibe hinab. Einige Minuten später prasselte es dann ordentlich gegen das Glas. Ich sah schräg nach unten. Das Regenwasser strömte, dabei eine Vielzahl von Bläschen bildend, von dem Asphaltbelag in die Gullys. Jetzt entlud sich das Sommergewitter erst richtig.

Die Blasmusikanten beendeten mit einem Stück, das aus nur drei stakkato - artigen Tönen bestand, ihren Auftritt. Die anwesende Menschenmenge grölte und brüllte danach noch lauter. Der Gewitterguss wird sie abkühlen, dachte ich so bei mir. Schließlich war ich ja auch mal jung. Oder, etwa nicht? Das ist allerdings schon sehr lange her. Blasmusik hasse ich genauso wie Schlager. Und dieses nicht erst seit der CDU - Schwachkopf Heck seine dressierten Affen in Berlin im Playback - Verfahren ihren Schund vortragen ließ. Nein, es war bereits weit davor. In jener Zeit des Kalten Krieges, als der Deutschlandfunk jeden Sonntagmittag ab 13.10 Uhr die " Lustigen Blasmusikanten " von Schlage eines Ernst Mosch über seinen Mittelwellensender in das Kofferradio meiner Eltern pusten ließ und ich diesen, Ohrenschmerzen verursachenden Mist beim Mittagstisch abräumen, dem Abwasch erledigende und di Küche ausfegend, ertragen musste, weil unser Vater - der sonst technisch nicht sehr beschlagen war - ausgerechnet die exakte Frequenz diess Latrinensenders kannte.

Bleibende Hörschäden hab ich indes nicht davon getragen.

Ich verließ das Arbeitszimmer und begab mich auf den Balkon des Musikzimmers. Es hatte sich merklich abgekühlt. Die Blasmusikanten spielten nicht mehr. Vielleicht ist ihnen jetzt die Luft weg geblieben?         

 

  EXMAGMA  -  25 Two Seconds Before Sunrise  -  Goldball  -  1974:





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!