Grab - Abräumer



Seit einigen Tagen steht ein hell roter Kleinwagen eines japanischen Herstellers vor der Garageneinfahrt des Nachbarhauses. Er wird von dem jüngeren Sohn des dort wohnenden, schon etwas gebrechlich wirkenden Ehepaars gefahren. Die beiden Nachbarn haben das Hausgrundstück längst nicht mehr gepflegt, es wirkt auf einen Außenstehenden beim näheren Hinsehen dann doch als herunter gekommen. Insbesondere der Garten sieht wie ein Mini - Dschungel aus - Wildwuchs überall.

Nun, gut, auch hier gilt der Grundsatz des " Eigentum verpflichtet " nur bedingt.

 Vor allem dann, wenn mit zunnehmendem Alter selbst einfache  Routinearbeiten schwer fallen. Und dieses dürfte bei dem Ehepaar aus der Nachbarschaft offensichtlich der Fall sein; zumal der Mann aufgrund eines Unfalls gesundheitliche Probleme hat. Die große Gefahr, die bei einem schleichenden körperlichen Abbau nicht selten einher geht, ist jene der Selbstüberschätzung. Damit können viele Abläufe, die einst - also vor vielen Jahren - noch als völlig unproblematisch galten, nun zu einem echten Problem werden.

Dazu zählt zweifelsohne die Grabpflege. Einst wäre das Bepflanzen und die anschließende Pflege eines Grabes vielleicht als lästige Übung abgetan worden. Im Alter aber, kann auch eine derartige Verpflichtung zu einer Herkulesaufgabe werden. Dass es dafür Fachbetriebe gibt, die für nicht gerade wenig Geld, eine normierte Bepflanzung auf die Oberfläche von jener letzten Ruhestätte eines Familienangehörigen platzieren, die dann bereits nach wenigen Wochen vergammelt dort über Monate verbleiben.

Eine noch größere Herausforderung stellt jedoch die Beräumung einer " abgelaufenen " Grabstelle dar. Wer nicht die Traute hat, jene durch eine, im feinsten Behördendeutsch abgefasste schriftliche Anordnung selbst umzusetzen, muss auch dafür eine Fachfirma beauftragen. Je nach Grabgröße und den hierauf ruhenden Aufbauten, kann ein Betrieb schon mal bis zu 2.000 Euro veranschlagen. Und just in dieser Größenordnung lag die Kalkulation eines Mindener Fachbetriebs, den meine Eltern vor zirka 2 Jahrzehnten mit der Beräumung des Grabes der Großeltern beauftragen wollten.

Als der Heini von einst sich die die Grabstätte vor Ort ansah, gab er in einer sehr pampigen Art und Weise und nur widerwillig Auskunft über die zu erwartenden Kosten und kalkulierte diese mit zirka 2.000 Euro. Okay, das war für die damaligen Verhältnisse schon happig. Da es aber zu jener Zeit weder in den näheren Gemeinden, noch in Bückeburg einen Steinmetzbetrieb gab, kontaktierten meine Eltern einen Mindener Betrieb.

Der bekam den Auftrag allerdings nicht. Meinen Eltern war sein mündliches Angebot viel zu teuer. Zudem hatten sie ab den frühen 1970er Jahren eine eher seltsame Lebensphilosophie entwickelt. Für Autos, Urlaube und Mobiliar sowie andere Luxusartikel wurden 10.000 DM und mehr ausgeben; andererseits wurde bei Handwerkern gespart und versucht, die erforderlichen Arbeiten selbst oder schwarz zu erledigen.

Nun, in diesem Fall hieß das Motto: Selbst ist der Mann!

So besorgte sich mein Vater, der Maurer gelernt hatte und diesen Beruf bis zum 58. Lebensjahr ausübte und mit " Schwarzarbeit " ordentlich hinzu verdienen konnte, einen so genannten " Mottek ", einen Vorschlaghammer, holte seine hoch betagte Schubkarre aus dem Schuppen, legte eine Spitzhacke, einen Spaten zwei Jutesäcke dort hinein und ließ mich damit zum Eilser Friedhof gurken. 

Aort am Grab der Großeltern angekommen, begann er auf den riesigen Granitstein einzukloppen und forderte mich mit den Worten " Und jetzt Du " auf, ihm gleich zu tun. Ich fluchte wild herum und prügelte wie ein Berserker auf das steinernde Monstrum ein, dass bald in viele Teile zerbarst. Mit der Spitzhacke hoben wir die Grabeinfassung aus, die nach einigen wuchtigen Schlägen mit dem " Mottek " auseinanderbrach. Nach zirka einer Stunde schweißtreibender Arbeit war das Grab beräumt. 

Am folgenden Tag lud ich zusammen mit einem Nachbarn den Steinhaufen in meinen Mazda 626 Kombi und einem kleinen Anhänger den zertrümmerten Steine zu einer Deponie in der Nähe von Rinteln. Der Nachbar kannte einen dortigen Mitarbeiter, der uns durch winkte, danach luden wir die Zentner schwere Fuhre in einer Ecke des Platzes ab. Der Nachbar zahlte an den Mitarbeiter einen symbolischen Betrag von 40 Euro. Ich gab diesem später dann 100 Euro - das war´s!

Tja, 2 Jahre später kam die beinahe identische Prozedur erneut auf mich zu. Das Grab der Großmutter meiner besseren Hälfte musste auf dem " Neuer Annenfriedhof "  in Dresden - Löbtau beräumt werden. Der Vertrag über die vereinbarte Liegezeit war beendet. Eine Verlängerung war nicht mehr möglich, zudem hatten wir das Andenken an die Großmutter auf dem Grabstein der auch dort liegenden Eltern auf einen Grabstein eingravieren lassen. 

Wie bereits bekannt, besorgte ich mir einen " Mottek " vom Nachbarn, der einst bei der Reichsbahn tätig war und nicht nur damit handwerklich beschlagener war als ich, dazu verfrachtete ich die eigene Schubkarre, eine Spitzhacke und einen Spaten in unseren Mazda 6 Kombi. So ausgestattet fuhren wir zum " Neuen Annenfriedhof ", wo ich meine Abräumarbeit ein zweites Mal, jedoch mehr als 450 Kilometer südöstlich begann.

Nach zirka einer Stunde war der Großmutter´s Grab abgeräumt. Ich lud den zertrümmerten Grabstein und die Brocken der Einfriedung in die Karre und lud sie in den Mazda, der alsdann ordentlich Tiefgang zeigte. Dieses Mal legte ich die Steine in dem Vorgarten ab, wo ich sie später als Fundament für eine kleinere Gartenmauer verwandt. So hatten die auch damals nicht gerade billigen Grabsteine im Nachgang noch einen Nutzen. Zudem hatten wir die möglicher Weise angefallenen Grabberäumungskosten von mindestens 800 Euro gespart.

Doch, was wäre, wenn solche Arbeiten selbst nicht mehr vorgenommen werden können, weil die eigene Kraft und die Möglichkeiten dazu nicht vorhanden sind? Zahlemann und Söhne! Von dem Tod eines Menschen lebt somit eine große Zahl an Gewerken und dieses sehr gut, dank der staatlichen Unterstützung.


GRAVE DIGGER  -  King Of The Kings  -  2022:



 

         

  

   

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