Tod aus der Lederfabrik
Die untergegangene DDR, das andere, das sozialistische Deutschland, hat sich - unstreitig - einen feuchten Kehricht um den Arbeits - und Umweltschutz geschert. Da hatte es der Klassenfeind ab den 1980er Jahren schon ein wenig besser. Hier geißelte eine, dann im Parlament in der einstigen Bundeshauptstadt Bonn sitzende Partei mit dem Namen " Die Grünen " jene gewollten Versäumnisse der dort herrschenden Kapitalisten und ihren Drang nach Profitmaximierung zu Lasten des Malochers und der Natur.
Damit hatten sie alsbald Erfolg. Die Luft wurde - regional betrachtet - sauberer, die Flüsse wieder reiner und viele Gifte, wie Asbest oder diverse Holzschutzmittel wurden sukzessive vom Markt ausgegrenzt, weil gesetzlich verboten.
Unsere sozialistischen Schwestern und Brüder indes bekamen im Namen der Planerfüllung weiterhin die volle Dröhnung an Schadstoffen auf das Haupt, in die Lungen und das Blut eingetrichtert. Weil der Sozialismus in Gestalt seiner real existierenden Ausprägung nach dem Gusto der herrschenden Partei der Arbeiterklasse, der SED, zu siegen hat, wurden sämtliche Umwelt - und Arbeitsschutzvorkehrungen beiseite geschoben. Hauptsache die Produktion zum Zwecke der Devisenbeschaffung lief weiter.
Zu den wildesten Auswüchsen der sozialistischen Planwirtschaft nach DDR - Prägung zählte der Einsatz von Chemie in allen nur erdenklichen Facetten.
In Hirschberg an der Saale, einen Steinwurf zu der vormaligen innerdeutschen Grenze entfernt, ließen die SEDler um Ulbrich und Honecker einst eine riesige Lederfabrik hoch ziehen, die sich zunächst unter der Heinrich Koch AG in den 1930er Jahren als größter Hersteller von Sohlenleder, Sattler - und Geschirrleder, aber auch Sohlenrahmen aufstieg.
Bis zu den Anfangsjahren der Nachkriegszeit verblieb die einst mit 1.500 Beschäftigten arbeitende Lederfabrik im Besitz der Koch AG, ehe die Anlagen demontiert und im Zuge der Reparationsleistungen an den großen Bruder, die ruhmreiche Sowjetunion, übergeben werden mussten. Die Aktionäre wurden entschädigungslos enteignet.
Alsbald widmete des SED - Führung die restlichen Fabrikanlagen in einen Volkseigenen Betrieb um, der sich den ändernden Marktverhältnissen anpasste und ab den 1960ern die Produktion von Sohlenleder zurückfuhr, um ab 1965 nur noch chromgegerbtes Oberleder zu fertigen.
https://www.stadt-hirschberg-saale.de/inhalte/stadt_hirschberg/_inhalt/geschichte/lederfabrik/lederfabrik
Nach dem Untergang des sozialistisches Bruderstaates, wurde die Lederfabrik in Hirschberg an der Saale zunächst in eine GmbH umgewandelt, dann von einem österreichischen Lederfabrikanten übernommen, ehe sie 1993 Konkurs anmeldete.
In den Folgejahren vollzog sich dann der Komplettabriss sämtlicher Produktionsanlagen.
Die Stadt Hirschberg erwarb hierbei das Verwaltungsgebäude und errichtete dort ein Ledermuseum.
Seit diesem Zeitpunkt war die Lederfabrik in Hirschberg an der Saale nur noch Geschichte. Ein Wimperschlag in den Annalen der Stadt, des Freistaates Thüringen und Deutschlands. Doch die toxischen Hinterlassenschaften dieses Werks, das in den mehr als 6 Dekaden Tausenden eine Arbeitsstelle erbrachte, waren mit dem Abbruch der Gebäude und der Beseitigung der kontaminierten Flächen mittels EU - Gelder nicht abgebaut. Die gesundheitlichen Auswirkungen der hier erledigten Arbeiten zeigten sich erst viele Jahre danach. Als die Mehrzahl der einstigen Werktätigen schon ihre wohl verdiente Rente erhielten, die zumeist klein, aber überwiegend zur Bestreitung des Lebensunterhalts, ausreichend war. Wer in der Stadt, die nach der Wende Tausende von Einwohnern verlor, verblieb, konnte dank günstigen Wohnraums und geringerer Lebenshaltungskosten, dort überleben.
Allerdings nur so lange, wie die Gesundheit dieses zuließ. Und diese war bei vielen ehemaligen Mitarbeitern der Fabrik nicht gerade zum Besten bestellt.
Als vor zirka 5 Jahren eine Verwandte meiner besseren Hälfte an Krebs verstarb, musste ich nicht lange überlegen, um als eine der Ursachen für diese, oft tödlich verlaufende, Erkrankung zu ermitteln. Es war die Maloche in der Lederfabrik, in der mit gesundheitsschädlichen, chemischen Stoffen hantiert wurde.
Vorgestern verstarb nun auch der Ehemann der Verwandten an Krebs. Auch er hatte über viele, viele Jahre in der Hirschberger Lederfabrik gearbeitet.
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist nach wie vor nahezu unheilbar. Eine tückische Erkrankung mit einer statistisch berechneten Überlebens - und / oder Heilungschance von unter 10 %.
Die Lederfabrik in Hirschberg, ein zu DDR - Zeiten pulsierender Giftkessel, in dem mit Chrom
gegerbt (https://de.wikipedia.org/wiki/Gerben#Gerbung_mit_Mineralsalzen ) und auch andere gesundheit - und umweltschädliche Stoffe zum Einsatz kamen. Das Problem beladene Gerben, der Gerbungsprozess ist seit vielen Jahren ausgelagert worden. In arme Länder dieses Erdballs. Nach Indien, Sri Lanka, China oder Brasilien. Dort mucken die Arbeiter nicht auf, so, wie einst zu den Zeiten des real existierenden Sozialismus in der DDR.
Auch wenn jene erkrankten Ex - Werktätigen nach der Abwicklung der Giftfabrik in Hirschberg keinerlei finanzielle Entschädigung erwarten dürfen, wäre es längst an der Zeit, die Ursachen für die auftretenden Krebshäufigkeiten in dieser Bevölkerungsgruppe zu untersuchen.Doch, hier stösst der Nachforschende auf eine Mauer des Schweigens. Warum wohl?
" Crash Test Dummies " Mmm - Mmm - Mmm Mmm " - 1993:
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