Noch ein letzter schöner Sommertag
Trotz der vielen Baustellen in und am Haus, haben wir heute eine kleine Pause eingelegt. Und dabei ein leckeres Mittagessen auf der Terrasse eingenommen. Gut, die Tage werden merklich kürzer, des Nächtens ist es bereit empfindlich kühl und auch sonst hat der Sommer 2018 seine letzten Atemzügen getan. Darüber sinnierten wir während unserer Fischmahlzeit, die meine bessere Hälfte zubereitet hatte, während ich mich zum xten Male an unserer Küchentür, die immer noch klemmt, versuchte.
So viele Möglichkeiten, draußen auf der überdachten Terrasse zu sitzen, fanden sich wegen der viele, viel zu heißen Tage und Abende, dann doch nicht.
Die Teller, auf denen sich der köstliche, im Ofen und in einer Auflaufform gegarte Seelachs befand, der eine scharfe, aber sehr wohl schmeckende Füllung besaß und die dazu beigelegten " Herzoginnen - Kartoffeln ", sie wurden leerer. Die Portion schrumpfte, so, wie der Sommer entschwand, ohne das er irgendeinen bleibenden Eindruck hinterlassen wird.
Okay, er war heiß, zu trocken und in seiner Kombination ein Albtraum für die Industrie - Landwirte. Jedoch ein Geld bringender Segen für alle öffentlichen und vielleicht privaten Freibäder, die sich über einen Besucher - und Touristenrekord freuen können,der die klammen Kassen vieler Kommunen ein wenig füllt. Mehr Mensch bringt mehr Moneten. Will heißen: Gast zahlt Kurtaxe, Gemeinde freut sich.
Im nächsten Frühsommer werden wir aus dem fernen Bayern wieder an die Ostsee, erneut nach Prerow, auf den wunderbaren Darß fahren. Wir haben bereits früh gebucht. Da freut sich der private Vermieter, denn er darf bereits jetzt planen.
Vielleicht werden die kommenden Sommer allesamt heiß, trocken, knackig. So, wie sie es auch in den Jahrzehnten zuvor ab und zu waren. Klimawandel hin, Klimazonenverschiebung her, Sommer muss Sommer bleiben. Schließlich möchte das kühle Herz des Industrie genormten Urlaubers auch Sommer gewohntes, vorgegebenes Wetter genießen und keine miesen 16 bis 20 Grad, bei bedecktem Himmel und kühlem Meer.
Während wir unseren " Kerrygold " - Joghurt mit Genuss verspeisten, erinnerte ich mich an die heute in den frühen Morgenstunden gelesene Kolumne von Elke Schmitter, die unter der Rubrik " Besser weiß ich es nicht ", immer sehr intellektuelle und sprachlich feinsinnige Sätze formuliert. Im " SPIEGEL " 36 / 2018, S. 109 sinniert sie just auch über den dahin geschiedenen Sommer. Unter dem Titel " Kawuppdich! " schreibt sie:
Dieser Sommer, das darf man sagen, war nicht klein. Am Berliner Schlachtsee ein Abend mit Goldrand, vielleicht einer der letzten - wobei dieser Gedanke beim Wort Abend gratis mit durchschimmert. "
( a.a.O. ).
Dann beschreibt sie einige gebliebenen Eindrücke von Feiernden, Badenen, Nackten, Bierflaschen und Stimmungen.
... " Weit ausgespannt der Fächer des irdischen Glücks. weit weg und ganz unglaubhaft, wofür zum Beispiel manch sächsischer Mensch sich Gesicht und Stimmen verzehrt. "... ( a.a.O. )
Durch die Blume gesagt, geht sie dann, auf die immer noch immensen Vorteile doch unsere Wohlstandsgesellschaft ein, die diese , trotz aller, jetzt von den Neo - Faschisten und anderen Brüllern gegeißelten sozialen Verwerfungen, immerhin haben muss, wenn sie auch nicht mit deutschen Tugenden und der vermeintlich deutschen Leitkultur behaftet zu sein scheint.
Bezogen auf den brauen Sachsen - Aufstand in diesen, den wohl letzten, noch schönen Sommertagen, wie er in Chemnitz und Köthen weiter geführt wird, stellt sie alsbald fest:
" Auch der freundliche Hedonismus und die Andacht vor dem Schönen, so scheint es, sind Augenblicksweisen der Existenz, die des sozialen Trainings bedürfen. Früher hat die Kunst darin geübt, inzwischen hat sie sich weitgehend anderen Aufgaben zugewandt; nach dem Kindergarten ist der deutsche Bürger vielleicht zu oft sich selbst und dem alkoholischen Sortiment bei Lidl überlassen, wenn er zwischen Mülltrennung und dem Erhabenen seinen Pfad der Lebensfreude sucht.
" Irgendwie auf die alten Tage ", schrieb der vor zehn Jahren verstorbene Peter Rühmkorf , der sich als Ahne des Walther von der Vogelweide verstand " nochmal etwas machen / was nicht so! fort auf Anhieb gefällt. " Mit Kawuppdich die triviale Finsternis durchkreuzen: " Und was sich nicht preisen läßt / das laß. verdammtnochmal, liegen "
( a.a.O )
Der Leser sollte hier kurz inne halten. Die benannten " alten Tage " retrospektiv auf das Jahr 1968 reduzieren und sich dann dabei selbst fragen: " Irgendwie war da doch ein klein wenig Gleiches mit dem Heutigen? " Oder, täuscht er sich?
1968 gingen Zehntausende auf die Straße, um die bestehenden, die politisch verkrusteten Verhältnisse zu überwinden. Es flogen zwar nicht immer Steine, Flaschen oder gar Pyrotechnik auf wild um sich prügelnde - manchmal berittene - Polizisten, die mit Wasserwerfern die Straßen von Sitzblockaden, so genannten " sit ins " säuberten; von jenem " Geschmeiß ", " Gesocks " " asozialem Pack ", das " vergast ", " ins Arbeitslager " oder " für immer weg gesperrt gehört ". Der Prolet im Westen war rechts getrimmt, weil dessen Vater oder malochende Arbeitskollege einst im Tausendjährigen Reich gedient hatte, von Adenauer´s " Sovjets " - Hasspolitik indoktriniert, auf alles - zumeist nur verbal - ein prügelte, was anders war als er selbst.
Und wenn es die eigene Brut war.
5 Dekaden später zeigt die Gesellschaft unter umgekehrten Vorzeichen, dass die Mehrheit mit Rassismus, der AfD und anderen brauen Gesinnungsfreunden nicht viel gemein hat. Doch die Saat, die Nachwendekinder, die aus den Familien der Nach - DDR - Abgehängten, der vom kapitalistischen Wirtschaftssystem Ausgekehrten, ist längst aufgegangen. In den von Dauerarbeitslosigkeit betroffenen Familien wurde Wut, Enttäuschung und Frust auf die nächste Generation übertragen. Die stellt jetzt den braunen Mob, der in Sachsen und auch anderswo wütet. Begleiten von Tausenden, Beifall zollenden Spießern, deren Intellekt bei Null liegt.
Sie werden die Kolumne von Elke Schmitter im " SPIEGEL " unisono nie lesen. Sie würden die feine Klinge, mit der die Journalistin hier gegen diese braun angestrichenen Veranstaltungen besorgter und gewalttätiger Bürger, intellektuell zu Felde zieht, deshalb nicht als textlichen Angriff registrieren, weil sie mit ihrer plumpen Sichtweise der Funktionalität dieser, unserer, nur einen Welt und dieses, unseres, Landes, dabei sofort an ihre Grenzen stoßen.
Das Land wird weitere Ereignisse, wie jene aus dem Sommer 2018 über sich ergehen lassen müssen, ehe es wieder so politisch wird, wie vor 50 Jahren. Dann wird wohl auch der Letzte erkennen, dass die Mutter allen Übels die nie gelöste soziale Frage ist und nicht die Migration, wie uns Seehofer aus Wahl taktischen Gründen weiß machen will.
Wir hatten unseren Joghurtbecher geleert. Den wohl schmeckenden Inhalt in unsere Mägen befördert. Beim Abräumen des Tisches überlegte ich, wo die verspeisten Lebensmittel eigentlich her kamen?
Der Lachs stammte aus einer der riesigen, industriell aufgezogenen Meeresfarmen in Norwegen.
Die Gemüsebeilage aus Spanien, Italien und Frankreich, vielleicht aus Asien und Südamerika ( Ingwer )
Die Gewürze aus Asien oder Südamerika
Der Joghurt aus Irland.
Nur die tiefgefrorenen " Gärtnerinnen - Kartoffeln " stammen aus Deutschland.
Würde die sinnfreie Parole der Nationalen, Neo - Faschisten und anderen Wirrköpfen, der da lautet " Deutschland , den Deutschen! " in die Realität umgesetzt werden, müssten wir auf dieses alsbald verzichten. Die Lohnsklaven würden in ihren Heimatländer verschwunden sein, die ausländischen Erzeugnisse würden nicht mehr angeboten und verkauft werden und " DER SPIEGEL " wäre als indiziertes Presseorgan längst verboten.
Ein letzter schöner Sommertag? Vielleicht? Ein schöner Beitrag über den Sommer des Krawalls, des Kawuppdich, von Elke Schmitter.
Mehr davon!
" The Stranglers " - " Always The Sun " - 1986:
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