Tod an der Fensterscheibe
Heute Morgen schreckte ich bei den Vorbereitungsarbeiten für die zweite Holzlieferung plötzlich hoch. Ein lauter Knall, den ich irgendwo von außen her kommend vermutete, machte mich stutzig. War vielleicht ein Element des Gerüstes, dass immer noch den Frontbereich des Hauses ziert, abgefallen? Oder ist ein Dachrinnenstück, das ich mittlerweile ersetzt hatte, wieder zu Boden gegangen? Auch die beiden Karren wären mögliche Verursacher gewesen. Sind diese vielleicht umgekippt? Jedoch war es draußen nahezu windstill.
Doch nichts von den vermuteten Quellen des lauten Knalls traf zu. Ich ließ die Sache auf sich beruhen und widmete mich wieder meinen Aufräumarbeiten. Die führten mich dann hinter das Haus. In der Höhe des Treppenbereichs zur Waschküche sah ich dann die Ursache für den Knall liegen.
Eine junge Amsel lag an den PVC - Abflussrohr. Der Kopf war sichtbar nach außen gebogen. In dieser, eher widernatürlichen Haltung, lag die Amsel vor dem Plaste - Abflussrohr. Der Vogel hatte sich das Genick gebrochen. Er wird wohl gegen eine der beiden Fenster geflogen sein.
Leider musste ich im Laufe der Jahre schon einige tote Vögel auflesen. Mal war es eine junge Meise, ein anderes Mal eine Drossel, jetzt also eine Amsel.
Es gibt hier keine absolute Sicherheit für unsere gefiederten Freunde. Morgen werde ich den toten Vogel im Garten begraben. Der Tod an einer großen Fensterscheibe vollzieht sich zwar nie geräuschlos, aber er ereilt den Vogel binnen Sekundenbruchteilen.
Als Kind oder später Jugendlicher habe ich mich oft gefragt, wie Vögel eigentlich sterben, sofern sie nicht durch die menschlichen Eingriffe, die zivilisationsbedingten Umstände umkommen. Ob sie sich so einfach irgendwo hinlegen und sterben?
Vögel zählten zu den interessanten Lebewesen in jenen Zeiten, in denen ich mich draußen zum Spielen, um die Zeit irgendwie mit Sinnvollen zu verbringen, an der Aue, am Waldrand des Harrl oder auf den damals noch freien Feldern herumtrieb.
Da konnte ich jede Menge gefiederten Freunde beobachten. Ob nun die mir bekannten Arten, wie Hausspatz, Drossel, Amsel, Fink, Meise, Rotkehlchen und Star, die wir als Kinder regelmäßig zu Gesicht bekamen oder die eher unsichtbaren Arten, wie Specht, Lerche und Bachstelze. Größere Flieger, wie beispielsweise den Habicht, den Bussard oder einen Sperber gab es eher hoch oben am Himmel zu sehen. Viele Arten kannten wir nicht wirklich, denn sie waren bei uns nicht heimisch.
Sie konnten wir allenfalls in der Adlerwarte in Berlebeck bei Detmold, dem Vogelpark in Walsrode oder im Hannover´schen Zoo zu Gesicht bekommen.
Dann gab es aber auch noch jede Menge Brieftauben, die aus der Nachbarschaft von diversen Züchtern oder Haltern herüber geflogen kamen. Tauben sind ja elegante Flieger. Wir wussten, dass die Tiere über Hunderte und mehr Kilometer ausgesetzt, zielsicher in ihren Stall zurück fanden.
Kürzlich las ich dazu im " SPIEGEL " einen Artikel, in dem über eine Freveltat berichtet wurde, die sich in einem Tierheim in Dortmund zutrug. Unbekannte hatten hier in einer von einer Ärztin geführten Privatanlage 37 Tauben gemeuchelt ( Vgl. " DER SPIEGEL " 28 / 2018, S. 47 ).
Okay, die Städte, die durch gestylten, normierten Innenstädte ganz besonders, sie klagen seit Jahrzehnten über eine so genannte " Taubenplage ". Die Tier verdrecken mit ihrem ätzenden und als gesundheitsgefährdend eingestuften Kot Fassaden, Simse und Plätze. Sie werden deshalb von vielen Städten mit Geldern gefördert, professionell bekämpft. Immerhin darf hierzu die Frage aufgeworfen werden, wer zuerst da war, der Mensch oder die Tiere? Wenn Wenn der Mensch die Tauben dort nicht füttern würde, sich zudem als Umweltschwein verhaltend, seine Abfälle mit Speiseresten überall hinwerfend, den Tieren keine Nahrung anböte, wären die Vögel nicht mehr in den Innenstädten.
Gut, also, die Tiere von Frau Gabriele S. aus Dortmund wurden getötet. Die Frau stellte einen Strafantrag gegen Unbekannt: die aufnehmenden Polizeibeamten vermuteten einen Waschbären als Täter, weil die Tür zu der Unterkunft noch offen stand.
Das mag sein. Eher wahrscheinlich sind wohl Taubenhasser, wie sie in dem Moritat des österreichischen Musikers Georg Kreisler besungen wird.
Die Geschichte hier beschreibt einen mutmaßlich widernatürlichen Tod.
Die von mir gefundene Amsel starb diesen wohl auch, als sie mit Krawumm gegen eine Fensterscheibe flog. Wäre ich jetzt Berufszyniker würde ich von Kollateralschäden der Zivilisation reden. Nein, irgendwie trifft mich so ein Vorfall doch. Aber wäre dieser vermeidbar gewesen?
Wohl kaum, denn Netze oder gar ein Gitter vor die Fenster anzubringen, hätte nichts gebracht. Und auch die schwarzen Silhouetten vom auf das Fensterglas geklebten Raubvögeln wären nicht abschreckend.
Als ich den Jungvogel da so liegen sah, fiel mir wieder die Passage in dem Buch von Rene´Barjavel mit dem Titel " Kathmandu " ein, in dem eine Aussteigerin, einst als " Hippie " benannte junge Frau, ihre fiktiven Erlebnisse in der nepalesischen Stadt schildert. Hier kommt auch eine Begegnung mit dem Tod eines Vogels vor, den die Frau als Kind fest gekrallt auf einem Ast, auffand und sich darüber so sehr erschrak, dass sie dieses Erlebnis über viele Jahre nicht los ließ.
Es war ein natürlicher Tod, den der Vogel starb. Er hatte sich einfach in ein Dickicht zurückgezogen, weil seine biologische Uhr ihm anzeigte, dass seine Zeit gekommen war. So ähnlich beschrieb es jedenfalls der Autor Barjavel.
Ich werde die junge Amsel heute noch eingraben. Im Garten. Dort, wo auch noch andere Tiere liegen, die mich ein Stück meines Lebens begleitet haben.
Leonard Cohen - " Bird On The Wire " - " Songs From A Room " - 1969 - Live aus: " Cohen Live " - 1994:
Doch nichts von den vermuteten Quellen des lauten Knalls traf zu. Ich ließ die Sache auf sich beruhen und widmete mich wieder meinen Aufräumarbeiten. Die führten mich dann hinter das Haus. In der Höhe des Treppenbereichs zur Waschküche sah ich dann die Ursache für den Knall liegen.
Eine junge Amsel lag an den PVC - Abflussrohr. Der Kopf war sichtbar nach außen gebogen. In dieser, eher widernatürlichen Haltung, lag die Amsel vor dem Plaste - Abflussrohr. Der Vogel hatte sich das Genick gebrochen. Er wird wohl gegen eine der beiden Fenster geflogen sein.
Leider musste ich im Laufe der Jahre schon einige tote Vögel auflesen. Mal war es eine junge Meise, ein anderes Mal eine Drossel, jetzt also eine Amsel.
Es gibt hier keine absolute Sicherheit für unsere gefiederten Freunde. Morgen werde ich den toten Vogel im Garten begraben. Der Tod an einer großen Fensterscheibe vollzieht sich zwar nie geräuschlos, aber er ereilt den Vogel binnen Sekundenbruchteilen.
Als Kind oder später Jugendlicher habe ich mich oft gefragt, wie Vögel eigentlich sterben, sofern sie nicht durch die menschlichen Eingriffe, die zivilisationsbedingten Umstände umkommen. Ob sie sich so einfach irgendwo hinlegen und sterben?
Vögel zählten zu den interessanten Lebewesen in jenen Zeiten, in denen ich mich draußen zum Spielen, um die Zeit irgendwie mit Sinnvollen zu verbringen, an der Aue, am Waldrand des Harrl oder auf den damals noch freien Feldern herumtrieb.
Da konnte ich jede Menge gefiederten Freunde beobachten. Ob nun die mir bekannten Arten, wie Hausspatz, Drossel, Amsel, Fink, Meise, Rotkehlchen und Star, die wir als Kinder regelmäßig zu Gesicht bekamen oder die eher unsichtbaren Arten, wie Specht, Lerche und Bachstelze. Größere Flieger, wie beispielsweise den Habicht, den Bussard oder einen Sperber gab es eher hoch oben am Himmel zu sehen. Viele Arten kannten wir nicht wirklich, denn sie waren bei uns nicht heimisch.
Sie konnten wir allenfalls in der Adlerwarte in Berlebeck bei Detmold, dem Vogelpark in Walsrode oder im Hannover´schen Zoo zu Gesicht bekommen.
Dann gab es aber auch noch jede Menge Brieftauben, die aus der Nachbarschaft von diversen Züchtern oder Haltern herüber geflogen kamen. Tauben sind ja elegante Flieger. Wir wussten, dass die Tiere über Hunderte und mehr Kilometer ausgesetzt, zielsicher in ihren Stall zurück fanden.
Kürzlich las ich dazu im " SPIEGEL " einen Artikel, in dem über eine Freveltat berichtet wurde, die sich in einem Tierheim in Dortmund zutrug. Unbekannte hatten hier in einer von einer Ärztin geführten Privatanlage 37 Tauben gemeuchelt ( Vgl. " DER SPIEGEL " 28 / 2018, S. 47 ).
Okay, die Städte, die durch gestylten, normierten Innenstädte ganz besonders, sie klagen seit Jahrzehnten über eine so genannte " Taubenplage ". Die Tier verdrecken mit ihrem ätzenden und als gesundheitsgefährdend eingestuften Kot Fassaden, Simse und Plätze. Sie werden deshalb von vielen Städten mit Geldern gefördert, professionell bekämpft. Immerhin darf hierzu die Frage aufgeworfen werden, wer zuerst da war, der Mensch oder die Tiere? Wenn Wenn der Mensch die Tauben dort nicht füttern würde, sich zudem als Umweltschwein verhaltend, seine Abfälle mit Speiseresten überall hinwerfend, den Tieren keine Nahrung anböte, wären die Vögel nicht mehr in den Innenstädten.
Gut, also, die Tiere von Frau Gabriele S. aus Dortmund wurden getötet. Die Frau stellte einen Strafantrag gegen Unbekannt: die aufnehmenden Polizeibeamten vermuteten einen Waschbären als Täter, weil die Tür zu der Unterkunft noch offen stand.
Das mag sein. Eher wahrscheinlich sind wohl Taubenhasser, wie sie in dem Moritat des österreichischen Musikers Georg Kreisler besungen wird.
Die Geschichte hier beschreibt einen mutmaßlich widernatürlichen Tod.
Die von mir gefundene Amsel starb diesen wohl auch, als sie mit Krawumm gegen eine Fensterscheibe flog. Wäre ich jetzt Berufszyniker würde ich von Kollateralschäden der Zivilisation reden. Nein, irgendwie trifft mich so ein Vorfall doch. Aber wäre dieser vermeidbar gewesen?
Wohl kaum, denn Netze oder gar ein Gitter vor die Fenster anzubringen, hätte nichts gebracht. Und auch die schwarzen Silhouetten vom auf das Fensterglas geklebten Raubvögeln wären nicht abschreckend.
Als ich den Jungvogel da so liegen sah, fiel mir wieder die Passage in dem Buch von Rene´Barjavel mit dem Titel " Kathmandu " ein, in dem eine Aussteigerin, einst als " Hippie " benannte junge Frau, ihre fiktiven Erlebnisse in der nepalesischen Stadt schildert. Hier kommt auch eine Begegnung mit dem Tod eines Vogels vor, den die Frau als Kind fest gekrallt auf einem Ast, auffand und sich darüber so sehr erschrak, dass sie dieses Erlebnis über viele Jahre nicht los ließ.
Es war ein natürlicher Tod, den der Vogel starb. Er hatte sich einfach in ein Dickicht zurückgezogen, weil seine biologische Uhr ihm anzeigte, dass seine Zeit gekommen war. So ähnlich beschrieb es jedenfalls der Autor Barjavel.
Ich werde die junge Amsel heute noch eingraben. Im Garten. Dort, wo auch noch andere Tiere liegen, die mich ein Stück meines Lebens begleitet haben.
Leonard Cohen - " Bird On The Wire " - " Songs From A Room " - 1969 - Live aus: " Cohen Live " - 1994:
Kommentare