Außerordentlich unfachmännisch



Ein weiterer Arbeitstag geht zu Ende. Während meine bessere Hälfte die von mir zuvor ausgebaute Badezimmertür strich, werkelte ich im Keller an der Außentür herum. Diese hatte ihre besten Jahre bereits seit längerem hinter sich. Deshalb quälte ich mich mit den provisorischen Reparaturarbeiten an dem Türblatt herum. Immerhin hat die einstige Waschküchentür mehr Jahre auf den Buckel als ich Geburtstage feiern durfte.

Beim Schrauben, Bohren und Hämmern erinnerte ich mich an eine Wohnung, die ich drei Jahre nach Beendigung des Studiums in der Mittelshuchtinger Dorfstraße in Bremen kurzzeitig gemietet hatte.

Das Haus, in dem sich die Wohnung befand, lag etwas abgelegen von der damals schon stark frequentierten Huchtinger Heerstraße, die in Richtung Delemenhorst verlaufend, dann in die Bremer Heerstraße übergeht.
Dort wohnte vor vor zirka 30 Jahren die Eigentümerin und Vermeiterin mit dem eher ausgefallenen Namen Dorß. Sie war möglicherweise Witwe oder vielleicht auch geschieden. Eher aner, das Erstetre, denn Dorß war alt und trug mittellange, eisgraue Haare. Dorß hatte einen Sohn, der wohl um die Ende 20 bis Anfang 30 gewesen sein musste. Dorß´Sohn wohnte dort noch bei seiner Mutti. Und die brauchte Geld. Also wollte Mutti Dorß eine Wohnung im Obergeschoss des Hauses vermieten.

Über eine in der Nähe der Dorß wohnenden Familie hörte ich von dem Mietangebot und stellte mich einige Tage später bei Frau Dorß als Interessent vor. Ich gab ihr dabei - eher ein wenig großspurig auftretend - meine noch frisch gedruckten Visitenkarten. Mama Dorß war jetzt hoch erfreut, dass ein Rechtsanwalt sich für ihre Wohnung interessiert. Sie zeigte mir die drei Räume nebst kleiner Küche und einem Bad von anno Tobak. Aber, mir war es egal. Ich hatte die erste eigene Wohnung in der Bremer Weizenkampstraße 81 inzwischen gekündigt und musste somit bis Ende September 1988 aus der Butze raus.

Die Dorßen´sche Wohnung war zwar alles andere als ein Schmuckstück, aber dafür lag das Haus im Grünen, denn ringsherum waren großzügig angelegte Grundstücke. Die Mieterin wurde sich mit mir einig. Die Wohnung sollte 550 DHM zuzüglich 150 DM Nebenkosten sowie 2 Monatskaltmieten Kaution kosten. Viel Geld, für einen am Hungertuch nagenden Junganwalt. Doch mein schier grenzenloser Optimismus ließ mich an bessere Zeiten glauben und so unterzeichnete ich den Wohnungsmietvertrag.

Frau Dorß übergab mir den Wohnungsschlüssel und schon am nächsten Abend legte ich mit der Renovierung des Flurs, der zwischen der Dorß´schen Wohnung im Untergeschoss und der Mietwohnung darüber lag, los. Ich rupfte die extrem hässliche Tapete ab und pappte statt ihrer Rauhfasertapete auf die gekalkten Wände.

Okay, sicherlich zählte das Tapezieren nicht zu meinen besseren handwerklichen Fähigkeiten, aber bei der zwar hauchdünnen, aber dafür neutral aussehenden Rauhfasertapete, kann ein Laie eigentlich nicht viel falsch machen.

Doch - Weit gefehlt. Auch ein Nicht - Fachmann kann unfachmännisch arbeiten und dieses gleichso in Heimarbeit. Nach dem so genannten " Do it yourself " - Verfahren pappte ich - im Kooperation mit meiner einstigen LAG und späteren Frau sowie heutigen Ex - Frau - die kostengünstige, bei dem vormals existierenden Fachbaumarkt für Malerbedarf und mehr, der Firma " Tep & Tap " in Bremen - Habenhausen erworbenen " Pergament " - Rauhfasertapete, an diie hohen Flurwände.

Gut, ja, gut, ich sach´ma´, ich glaube, über den guten Geschmack lässt sich streiten oder zumindest kontrovers diskutieren. Ob nun die hässliche Blümchentapete aus der Prä - " Hippie " - Ära besser aussieht, als jene nicht auf Stoß geklebte, dafür aber neutrale Rauhfasertapete, ist zumindest damals diskutabel gewesen.

Heutzutage, somit mehr als 30 Jahre später, wird die nervige Allzweckswaffe wider des besseren Geschmacks, die Rauhfasertapete, die dann auch noch mit sündhaft teurer weißer Wandfarbe der Firma " Alpina " ( https://de.wikipedia.org/wiki/Alpina_Farben ) zu streichen war, längst nicht mehr genommen.

Wohl an, die Tapeten waren an die Flurwände geklebt, die späteren Wohnräume sollten nur noch weiß gestrichen werden. Dieses jedoch nur mit einer Billig - Wandfarbe. Eigentlich hätte danach der Um - und Einzug erfolgen sollen.

Doch, es kam dann anders. 

Irgendwann an einem lauen Sommerabend des Jahres 1988 klingelte bei mir in der Weizenkampstraße 81 in Bremen - Neustadt das Telefon. Am anderen Ende war der Sohn der Vermieterin, Herr Dorß junior, und legte, nachdem ich mich mit meinem Nachnamen geldet hatte, ordentlich los. Zunächst fragte er an, ob ich schon die Mietkaution überwiesen hätte? Meine Antwort lautete klar und deutlich " Nein! " Ich entschuldigte dieses mit der Berufstätigkeit und dem Renovieren in der , von seiner Mutter gemieteten Wohnung.

Das war sodann für Meister Dorß jun. der Aufhänger, um ordentlich loszuledern. Also: Der Flur sei wohl nicht mitgemietet worden, deshalb hätte ich auch die dortigen Tapeten nicht abreißen und zudem auch noch neu Tapezieren dürfen. Und, warum ich Farbeimer, Leiter und andere Malerutensilien in die Wohnung gestellt hätte?  " Wie, jetzt? In die Wohnung gestellt, die war doch abgeschlossen ", ratterte es bei mir im Dachstübchen. Ob ich auch dort oben in der Wohnung tapezieren wolle und schließlich erinnerte er mich nochmals an die Überweisung des Deponats.
Ich erklärte Dorß jun., dass die Wände nur gestrichen werden solen und, dass ich die Kaution in den nächsten Tagen überweisen werde.

Am folgenden Tag begab ich mich zur Wohnung und bemerkte, dass die Leiter, aber auch der Farbeimer und die anderen Renovierungsutensilien anders standen, als zuvor. Ich vermutete, dass die Dorß´ens in der Wohnung war und herum geschnüffelt hatten. Beim Verlassen der Räume klemmte ich deshalb mehrere Papierfetzen unter das Türblatt sowie den Türrahmen und steckte einen abgeknickten Streichholz in die Türschnappereinlassung, ferner in das Schlüsselloch des einfachen Zuhalteschlosses. So präpariert, konnte ich kontrollieren, ob Dorß erneut in die Wohnung hinein gegangen war.

Am folgenden Tag bestätigte sich mein Verdacht. Die angebrachten Teilchen lagenauf dem Fussboden. Die Tür war somit geöffnet worden.Ich verließ die Räume und formulierte noch am selben Tag eine fristlose Kündigung des Mietvertrags, die ich am Abend zusammen mit den Wohnungsschlüsseln in den Briefkasten warf.

Gleichzeitig forderte ich Dorß auf, die Hälfte der erhaltenen Miete zurückzuzahlen. 

Ich wartete einige Wochen, dann fertigte ich einen gerichtlichen Mahnbescheid an und ließ diesen über das vormals zuständige Amtsgericht Bremen zustellen. 

Einige Tage darauf erhielt ich ein Schreiben einer mir bekannten Rechtsanwaltssozietät. Ein promovierter Kollege, dessen Namen ich schon mal gehört hatte, formulierte in diesem Schreiben, in einem schwulstigen Stil, dass er die Interessen der Frau Dorß wahrnehmen würde und  - wie sich aus der beigefügten Vollmacht ergebe - er von dieser mandatiert worden sei.

Die Forderung sein unberechtigt, deshalb beantrage er bereits jetzt, die Klage abzuweisen. 

Irgendwann in den Sommerwochen setzte ich mich in meinen " Dodenhof " - Bürostuhl und rotzte eine Klagebegründung in das Diktafon. Dann kaufte ich bei der Gerichtskasse im 7. Stock des Amtsgerichts entsprechende Kostenmarken, pappte die auf den Schriftsatz und wartete ab.

Es vergingen einige Wochen. Dann erhielt ich einen zugestellten Schriftsatz des " werten " Herrn Kollegen. Er blies sich hierin wie ein Gockel auf und warf mir vor, die Tapezierarbeiten in dem Flur zur Dorß´schen Mietwohnung seinen " außerordentlich unfachmännisch " vorgenommen worden.

Gut, ja, gut, ich sach´ma´: Er hatte im großen und ganzen recht. 

Im Spätherbst terminierte das Gericht einen mündlichen Verhandlungstermin. Die Richterin, eine Hannelore W., eine SPD - Parteibuch - Frau, die eben just deshalb nur in Amt und Würden kam, wies die Klage ab. Hannelore W. war mir aus der Einstufigen Juristenausbildung in Bremen bekannt. Sie stänkerte einst gegen mich in der Bereichsbibliothek herum, weil ich es gewagt hatte, die dortige Mitarbeiterin anzuranzen.

W. war keine Leuchte, aber sie hatte einst eine große Klappe und die richtige Parteizugehörigkeit. das reichte aus, um in Bremen Richterin zu werden. 

" Außerordentlich unfachmännisch " war zwar zutreffend, aber das widerrechtliche Betreten der Wohnung stellt mit Sicherheit eine Grund für eine fristlose Kündigung des Mietvertrags dar. Ob der Vermieter, also Dorß, die Hälfte des Mietzinses hätte zurückzahlen müssen, war indes strittig. Und weil W. von Mietrecht keine  Ahnung hatte und mich aus der Studienzeit kannte, wies sie die Klage schlankweg ab.

Ich konnte damit leben, denn ich hatte inzwischen eine neue Wohnung.


" The Kinks " - " Days " - 1968:









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