Der Hammer!


 Tag X unseres " Projekts " Hausverschönerung 2018.

Heute ist der " Bosch " - Bohrhammer eingetroffen, den meine bessere Hälfte über " ebay " erworben hatte. Nach einiger Mühewaltung bei einer Preis - und Anbieterrecherche hatten wir uns für diesen Hersteller entschieden, weil es nicht nur ein Set, bestehend aus der Maschine, dem Bohrer - und Meißelzubehör sowie einen chicen Plastekoffer war, den uns ein Chemnitzer Online - Händler dort zeigte, sondern vor alle,, weil es die verschiedenen Aufsätze, das Werkzeugzubehör also, jederzeit im einzelnen nachzukaufen gab. Aber auch: Der Preis war unschlagbar.

Unser " DHL " - Zusteller brachte das Paket gegen Mittag. Die Außentemperaturen kletterten wieder über 30 ° C und eigentlich war der geschlauchte, menschliche Körper, auf harte Arbeit so gar nicht eingestellt. Zu heiß, eben!

" Speedy " wuchtete das Paket aus seinem gelb - roten Kleinlastwagen. Hinter ihm begann ein noch kleinerer LKW, der mutmaßlich im Oberdorf einen Auftrag erledigen wollte, zu hupen. Ein Mal, zwei Mal! Ich betrat die eigene Baustelle, den Balkon und rief herunter: " Komme! " Gleichzeitig brüllte ich in Richtung des drängelnden Handwerker - Autos: " Reg´dich ab! Der kann nicht jeden Weg zu Fuß machen! "

Immer diese egoistischen A.., diese Knaller, die meinen, sie seien alleine auf diesem Planeten und müssten überall und nirgends immer der Erste sein. Doch, es mag auch sein, dass die beiden Hitzegeschädigten einfach aus der brennenden Sonne heraus wollten. Beide starrten mich an, als ich das Paket entgegen nahm und dem Empfang der Sendung auf dem Display des Mini - Computers bestätigte. Ich bedankte mich bei " Speedy ", der im Eiltempo das Grundstück verließ.

Im Treppenhaus angekommen, schlitzte ich das Paket oben auf In hoffnungsvoller Erwartung, dass mir sogleich ein nagelneues " Bosch " - Maschinchen entgegen schauen würde. Ja, er sah genau so aus, wie es meine bessere Hälfte bei ihrer intensiven Sichtung der Internet - Angebote gezeigt hatte. Ein Plastekoffer in einer aqumarinblauen Farbe kam zum Vorschein. Der Aquamarin, ein Halbedelstein, soll angeblich der " Liebling der Frauen " sein.

Wenn dem so wäre, müsste dann der Plastekoffer mit dem " Bosch " - Hammer, der " Liebling der Männer " sein? Bei dem viel zu teuren Pendanten, den Profis von " Hilti " ist dieses unstrittig der Fall.

Egal, ich trug das Köfferchen, wie einst die biederen, spießigen, aus guten Elternhäusern stammenden BWL - Kommilitonen ihre " Delsey "  Aktenkoffer zu den Vorlesungen bugsierten, nach oben. Während bei den " Kofferträgern " von damals, die allenfalls einen " H & P " - Taschenrechner in der oberen Preiskategorie, ein Schreibset, versilbert, nicht vergoldet, und einen DIN A4 - Ordner mit Scripten sowie einen weißen Block in jenem Format, beinhaltete, war mein Schatz, so gefühlte 100 Lichtjahre später, wertvoller. Ein elektronischer Tausendsassa, denn die " Bosch " - Maschine war ein multifunktionales Gerät. Sie kann sowohl Bohren, Schlagbohrer, als auch Hämmern und hat zusätzlich noch eine Vario - Funktion, mit der das Bohren und Hämmern ermöglicht wird.

Hobbyhandwerkerherz, wat willsté mehr?

Ich öffnete den Plastekoffer und entnahm vorsichtig das Maschinchen. Hmmmmh, es hat sich seit meinen letzten Tagen und auch der vorgängigen Lehrzeit bei der Herm. Altenburg KG in Bückeburg doch sehr viel getan, in puncto Design, Handhabung, Gewicht und Funktionalität. " Bosch "? Ach, ja, da liegt die über 40 Jahre alte Bohrmaschine meines Vaters noch im Keller und arbeitet wie am ersten Tag nach dem Kauf nei meinem einstigen Lehrbetrieb. Damals kosteten die reinen Schlagbohrmaschinen mindestens 250 bis zu 400 Deutsche Mark und konnten nur Eines: Bohren und Schlagbohren!

Dafür waren sie mindestens doppelt zu schwer, benötigten natürlich auch mehr Strom, einen Bohrfutterschlüssel, mit dem Mann den Bohrfutterkranz lösen oder fest ziehen konnte, wenn ein Bohrerwechsel erfolgen sollte.
Das war zwar technisch sauber ausgeklügelt, aber eben auch sehr umständlich. Heute nennt sich dat Wunderteil " Spannbohrfutter " und ein Werkzeugaustausch ist binnen von Sekunden erledigt.

Bein genaueren Betrachten meines kleinen Helfers, erinnerte ich mich an die " Altenburg - Jahre ". So ab dem 1. April 1969 bis 31. März 1972 und dann als Angestellter vom 1. Januar 1974 bis 15. April 1974, als ich danach die BAS in Stadthagen besuchte, um das Fachabitur nachzuholen.

In dieser Zeit waren vielleicht drei oder vier Bohrmaschinenhersteller auf dem westdeutschen Markt. Neben dem " Bosch " - Konzern, konnte ein Handwerker oder ein Hobby - Kollege noch eine " Metabo " aus dem baden - württembergischen Städtchen Nürtingen erwerben. Diese Maschinen waren technisch etwas anspruchsvoller, robuster, aber auch teurer als eine " Bosch ". Dann erinnere ich mich noch an " Black & Decker ", einem amerikanischen Anbieter. Die Bohrmaschinen waren wesentlich billiger, obwohl sie in den Vereinigten Staaten hergestellt, von dort aus verschifft und in ganz Westeuropa vertrieben werden mussten.

Andere Hersteller hatte Herm. Altenburg nicht in seinem Angebot. Und schon gar nicht die - durchaus gleichwertigen - DDR - Bohrmaschinen, wie jene aus dem sächsischen Sebnitz, die der dortige VEB Elektrowerkzeuge produzierte.

http://www.zeppy.io/discover/de/ddr-werkzeug

Diese Geräte waren genau so robust und zuverlässig, wie die " Metabos " oder die " Bosch´", nur eben im Design eher bieder. Egal? Nun, ich habe alle drei Obengenannten plus den DDR - Bohrer als Werkzeug genutzt. Es gab dabei keine großartigen Unterschiede.

Jetzt aber lag der Koffer mit dem " Bosch " - Bohrhammer vor mir. Gleich nach dem Mittagessen wollte ich los legen. Wild entschlossen, versuchte ich zunächst den Flachbohrmeißel in das Spannfutter einzuführen. Nö, es funktionierte nicht. Irgendetwas machte ich ständig falsch. Nur, was?

Ich las mir die in vielen Sprachen mit gegebene Bedienungsanleitung durch und sah mir dazu die Skizzen mit den Bezeichnungen der Funktionen an. Potzblitz! Der Meißel ließ sich nicht in die richtige Position bringen. Zuvor hatte ich die Maschine getestet und dabei das auf Schlagbohren eingestellte Gerät kurz aufheulen lassen. Prima, sie funktionierte. Dann legte ich den Plastedruckknopf auf Bohrhammer um.

Aha, hier lag der Hund begraben. Das Bohrfutter hatte sich inzwischen verstellt, so dass der Bohrmeißelschaft nicht mehr hinein passte. Aus Sicherheitsgründen? Ich legte den Hebel wieder um, führte den Meißel ein und drehte den Schalter wieder auf Hämmern. Hurra! Das war spitze ( O - Ton Hans Rosenthal bei " Dalli - Dalli! " ).

Ich stellte die " Bosch " an - Sie hämmerte los!

Na, endlich! Jetzt aber nichts wie an die Wuppe ran. Das Tagwerk, die Planerfüllung lautete immer noch: Balkon von den alten Fliesen befreien. Ich meine, es war sogar " Westware ", der ich mit der " Made in China " verarbeiteten westdeutschen " Bosch " zu Leibe rücken würde.

Ich startete einen Testlauf. " Ratatata - Rattata - Ratata! " Zunächst hatte ich die erste Fliese an der rechten Außenseite malträtiert. Sie rührte sich noch nicht. Wie auch? Dann beackerte ich die linke Seite. Immer noch nix! Danach war die Front - Fuge dran. Die Fliese hob sich leicht an. Aha! Jetzt habe ich dich! Bei der zweiten Fliese sprang ein winziges Stückchen ab und prallte gegen meine linke Wange. Nö, so nicht! Zu gefährlich! Auch Westware ist so leicht nicht vergänglich. Ich unterbrach den Probedurchgang. Ob es vielleicht doch DDR - Kleber war, der unter den Fliesen pappte?

Wie dem auch sei, ich hatte mich inzwischen für den Kampfauftrag präpariert. Ich legte eine Plaste - Schutzbrille um. setzte mein " Prerower " " Wrangler " -  " Ostsee " - Leinenkäppi auf den Kopf und zog die Arbeitshandschuhe an. / Alle drei Schutzgegenstände natürlich " Made in C... " ).

Dann setzte ich, wohl präpariert und temperiert, wieder an: " Ratatatata - Ratatata - Ratatata! " Fliese ab, ein Flug in den immer noch vor der Garage stehenden Container. Platsch, knall, krach! Die besiegte Fliese zerbarst in viele Teile. Doch keine Westware?

Ich steigerte mich in einen wahren Rausch. Die beflieste Fläche wurde immer kleiner, die, von der der nackte Beton hervor lugte, dafür immer größer. Als BWL - Student hatte ich vor grauer Vorzeit mal gelernt, dass es diverse Entlohnungssysteme gab. Die dienten angeblich der Motivation - und Produktivitätssteigerung. Darunter fällt auch der " Stücklohn ". Hierbei wird, wie es der Name schon erahnen lässt, der Malocher nach der Anzahl der gefertigten oder erledigten Arbeitsgänge bezahlt. Unser damaliger BWL - Dozent, ein eher ruhiger, bedächtiger, älter Mann, mit schlohweißen Haaren, der aus der Praxis kam, Fußball - Anhänger und Gebißträger war, erklärte uns  den " Stücklohnbegriff " so:

Wenn auf einer Autobahnbaustelle ein Mitarbeiter für jeden dort mit 50 cm Abstand einzusetzenden Metallkopf , der die Spur  abgrenzen  soll, 1 DM bekäme, würde er nach 100 Metern einen Betrag von 200 DM verdient haben.

Ich grübelte beim Hämmern darüber nach, wie viele Fliesen es wohl seien und was ich bei einem Betrag von 50 Eurocent dann am Ende in meine Tasche gescheffelt hätte, würde ich nach Stücklohn bezahlt werden. Nur, von wem?

Im Hintergrund begann es zu grummeln. Dann donnerte und blitzte es. Das erste - wie angesagte - Gewitter zog auf. Also: Ich legte einen Zahn zu, " Ratatatatatatatatatata! " Schwupp, Fliese ab, noch ´ne andere ab und eine dritte dazu - ab, mittels gezielten Weitwurfs, in den Schuttcontainer.

Dabei überlegte ich, dass dieses nun wiederum eine andere Entlohnungsart war, nämlich " Akkordlohn ". Dieser wird ja - so besagt es die reine BWL - Lehre - nach dem Faktor Zeit bemessen. Das bedeutet, dass der Autobahnbauarbeiter mit den einzusetzenden Abgrenzungsköpfen aus Metall, bei vorgegeben 1.000 Metern binnen 10 Stunden Arbeitszeit, dann 2.000 Köpfe in den Beton klopfen muss, damit er vielleicht 500 Euro bekommt.


Zwei Jahre später führte ich das BWL - Studium an der HfW in Bremen fort und zu Ende. Dort lernte ich u.a. auch, dass der Kapitalismus viele - eigentlich zu viele - Schattenseiten besitzt und  Entlohnungssystem im Kapitalismus nur reine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sind. Nun, ja, dann nenne ich meine jetzige Tätigkeit als Kombination zwischen Stück - und Akkordlohn, eben Selbstausbeutung eines Menschen.

Es begann zu tröpfeln. Ich arbeitete noch schneller.

Dabei dachte ich an die Ferienarbeit bei " Kellog´s " in Bremen. In jenem Werk, dass für Europa die extrem Zucker haltigen Ceralien herstellte, die dem Nicht - Amerikaner von jenes großartigen Land als gesunden Verkaufsschlager seit den 1950er Jahren um die Ohren geschlagen wurden. Nun, innerhalb einer Nachtschicht sollte ich mit einem Staplerfahrer, einem gebürtigen Spanier, den ich " El Nino " nannte, zwei Güterwaggons mit dem " Kellog´s " - Gelumpe füllen. Es waren diese Kasten artigen, zweiachsigen Transportmittel der DB, die ich vor vielen Jahren von den " Märklin " - Spielzeugeisenbahnen kannte.

" El Nino " oder auch " Manolo " ( der Spanier war bekennender Real Madrid Fan ) legte los. Er karrte eine Palette nach der anderen vor die Waggontüren des Monstrums. Ich nahm Pappkarton für Pappkarton auf und stapelte diese von rechts nach links und von unten nach oben. " El Nino - Manolo " gurkte wie ein wilder Hummel von der riesigen Lagerhalle bis zu der Verladerampe und ließ Palette für Palette von dem Gabel. Ich schwitzte und fluchte wie ein Wilder, weil der heiße Spanier so ein Arbeitstempo vorlegte. Dann merkte er wohl, dass ich immer langsamer wurde. Er stieg breit grinsend von dem Fahrerbock ab und schnappte sich einen " Kellog´s " - Karton mit " Smacks ". " Du bist zu langsam, Pinoccio! ", kommentierte er mein Arbeitstempo. " Wieso? Werden wir noch Zeit bezahlt? " Er nickte heftig mit dem Kopf und schob die von mir eher unfachmännisch gestapelten Kartons zu der Wand hin. " Da muss mehr rein! ", fügte er seiner Kritik hinzu.

Viele Jahre später stellte ich mir bei dem Erinnern an jene Studienzeit die Frage, ob es nun " Akkord - Stück - oder Stundenlohn " war, der damals berechnet wurde? Vielleicht war es auch so etwas, wie Raummeterlohn? Wenn es den tatsächlich gegeben hätte.

Der Regen prasselte jetzt auf den Balkon, auf meine " Wrangler " - " Ostsee " - Mütze und die neue " Bosch " - Maschine. Eilig sammelte ich die letzten gelösten Fliesen zusammen, warf sie in den Container, nahm mein Hilfswerkzeug in die Hand und verließ den zu Dreiviertel entblößten Balkon.

Es donnert, blitzte und schüttete. Ein kräftiges Sommergewitter entlud sich über Dresden. Ich holte schnelle eine Abdeckplane, damit es nicht weiter nach unten durch regnet. Dann schloss ich die Balkontür, dachte an den " Sauren regen ", der mal als Ursache für das Waldsterben benannt worden war, den " Fall Out " nach der " Tschernobyl " - Atomkatastrophe und in diesem Kontext an meine ehemalige Hochschuldozentin, die als " 68erin " und DKP - Sympathisantin von den Methoden der kapitalistischen Entlohnung einige Vorlesungen gab.

Nun, die DDR hatte auch solche Lohnanreizmethoden, um die Produktivität zu steigern. Ob diese nun im Namen des Sozialismus und der sozialistischen Wirtschafts - und Gesellschaftsordnung eingeführt worden waren, dürfte ehrlich gesagt, schnuppe sein. Es ging hier wie da, um den schnöden Mammon. Denn wer in der DDR besser verdiente, konnte sich auch Westware oder Luxuskonsumgüter leisten. Und: Nur weil die dortigen Atomkraftwerke sozialisiert, also sich in der Hand der Arbeiterklasse befanden, waren sie keinen Deut sicherer oder gar besser.

Ähnliches dachte ich über dem Begriff " Friedensbomber ", der zur Kampf - und Propagandarhetorik der herrschenden SED und ihrer ausführenden Mitläufer zählte.
Wer einen derartigen Müll von sich gibt, der kann nicht ernst genommen werden.

Der Rgenschauer, das Sommergewitter, war vorbei. Ich schaute mir das unvollendete Tagwerk an. Hmmmh, Planvorgaben nicht ganz erfüllt. Morgen ist auch noch ein Tag! Und der Sommer geht noch nicht so schnell vorbei.

Da(s) ist ( doch noch ) der Hammer!


Michel Polnareff - " Ta Ta Ta Ta " - 1967:





Für " Ta Ta Ta Ta " setzte ich im Sinne des Hammers: " Ratatata! "



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