Sommerabend



Heute ist Samstag und Samstag ist immer Großkampftag. Deshalb führten wir unsere Hausverschönerungsarbeiten fort. Schließlich kauft das Auge eines möglichen Interessenten mit. Seit den frühen Morgenstauden versuchte ich mich zunächst an der Außentür zur Terrasse und dem Garten. Sie sollte erneut abgedichtete werden. Die 70 Jahre haben dem guten Stück doch arg zugesetzt. Das Türblatt ist bereits stark ramponiert. Deshalb zieht es in schöner Regelmäßigkeit im Winter durch die Ritzen. Das hat sich ab heute geändert.

Ich habe dem Rahmen eine neue Dichtung verpasst und damit die Lücken gefüllt. Einen hellgrauen Innenanstrich hat das Türchen auch bekommen. Alles gut  - fürs Erste!

Meine bessere Hälfte werkelte derweilen auf der anderen Terrasse auf dem dort verlegten Holzelementen herum. Sie nahm Teil für Teil hoch und saugte den darunter liegenden Schmutz weg. Eine Sklavenarbeit, eigentlich. Aber: Das Käuferauge wird es wohlwollend zur Kenntnis nehmen.

Nach meinem ersten Einsatz unterstützte ich sie bei dem Projekt. Respekt, wer´s selber macht?

Auch nach dem Mittagessen legten wir uns ordentlich ins Zeug. Holzbodenelement für Holzbodenelement wurde hoch genommen, abgesaugt und nach der Bodenreinigung wieder eingefügt. Wie schon gesagt: Sklavenarbeit!

Am Abend konnten wir unsere geschundenen Körper ein wenig zur Ruhe führen. Während ich meinen " Krautrock " - Mugge im Radio hörte, ein Gläschen dazu trank, glotzte meine bessere Hälfte einen alten Schinken mit dem Opa Fritz Wepper im BR. Ich kann den Knilch nicht ab. Und noch weniger seine talentfreie Tochter, die er - ähnlich wie unser " Stumphi " - bei Zeiten in die Alimentationsmaschine der ÖRs eingeführt hat. Doch da die meisten Rentner bei der ARD inzwischen gemerkt haben, dass die Wepper ebenso ohne Talent ist wie die Stumph, gibt es keine tragenden Rollen mehr.

Na,ja, egal. jedenfalls habe ich mir die BR - Schwarte aus dem Heimatkasten des Bayrischen Rundfunks geschenkt. So, wie ich die Muppetshow " Um Himmel´s Willen " längst auf die Liste der toxischen Serien der Alten Tante ARD gesetzt habe.

Während Wepper´s sinnfreier Film unten lief, glotzte ich oben aus dem Küchenfenster, den dröhnenden " Krautrock " aus dem Hintergrund in beiden Ohren, und sah den Jungschwalben  nach, die mit einem irrsinnigen Tempo sich wechselseitig jagten. Der Nachwuchs, der Ende April einfliegenden Schwalben ist längst flügge. Er kann bereits selbständig die Nahrung suchen, die ihnen die fürsorglichen Eltern noch einige Wochen zuvor, schnabelgerecht ins Nest brachte.

Die menschliche Brut benötigt dafür satte 18 Jahre und keine 18 Wochen. Denn unsere exzellenten Flieger verabschieden sich bereits Ende August von uns. Dann sitzen sie, wie die Hühner auf der Stange, auf den Strom - oder Telefonleitungen, irgendwo in der Pampa und warten auf das Abflugsignal. Dann geht es den weiten Weg zurück, über Italien, in Richtung Nordafrika, wo sie überwintern, um dann im März / April des kommenden Jahres zurückzukehren; zu ihrem Geburtsort, der ja eigentlich nur ihre zweite Heimat ist.

Die vielen Zehntausend Migranten, die versucht haben, das reiche, das wohlhabende Europa über das Meer zu erreichen, sind - im Gegensatz zu der wesentlich höheren Anzahl Schwalben - hier nicht willkommen. Sie sollen angeblich die Sozialsysteme belasten, die Kriminalität ansteigen lassen und sich mit den Einheimischen mischen, was zu einer, nach der Lesart der Faschisten und anderer Wirrköpfe zu einer Volksdurchmischung führen kann. Das ist nicht erwünscht.

Die Schwalben haben es da besser. Sie benötigen kein Einreise - oder Transitvisum, müssen keinen  Asylantrag stellen und werden auch nicht mehr abgeschoben, wenn sie ihre  - sehr oft - hanebüchenen Geschichten von einer Verfolgung über einen zu bezahlenden Rechtsanwalt nicht plausibel dem Verwaltungsgerichten oder zuvor dem Bundesamt darlegen können.

Schwalben fliegen Tausende von Kilometern hin und die gleiche Strecke zurück. Sie müssen allenfalls damit rechnen, dass sie bei den " bösen " Italienern gefangen, aus den illegal aufgestellten Netzen gepflückt,und anschließend für viel Euronen auf den Tellern als Delikatesse liegen 

So jagten sie sich, quer über die Gärten fliegend und laut zeternd, bis die Dunkelheit langsam aber sicher eintrat.

Ich schaute zum Nachbarhaus hinüber. Im oberen Zimmer, unter dem Dach, dort, wo es heiß und unerträglich ist, brannte jetzt Licht. Unser nachbar, Vater von vier Töchtern, war dort erkennbar. Ich beobachtete, wie er Wäsche zusammenlegte. Es war wohl Bügelwäsche. Darunter auch Bettwäsche. Er zerrte und zog an den Wäscheteilen herum, legte sie irgendwo hinter sich - wahrscheinlich in einen Wäschekorb - und nahm dann ein anderes Stück von einem - für mich nicht sichtbaren - Stapel in seine Hände. So ging das minutenlang. Ich schenkte mir ein zweites Gläschen ein und verschwand aus der Küche, ohne dabei das Licht anzuknipsen.

Es war längst so schummerig, dass ich in meinem Arbeitszimmer die Deckenlampe angeknipst hatte. Beim Lesen irgendwelcher dümmlichen Nachrichten in meinem " freenet " - Account über Becker und sonstige Verblichene, dachte ich an meinen Nachbarn, der die Bügelwäsche vorbereitet. Eigentlich wäre das ja " Frauenarbeit " gewesen. Uneigentlich führte die schleichende Domestizierung des Mannes dazu, dass dieser auch die lästige, oft knüppelharte Frauenarbeit mitzuerledigen hat. Gut so, dann kommt er auf keine dummen Gedanken.

Abwaschen. Wäsche waschen, Auto waschen?

Nun,ja, ich habe damit kein Problem. Schließlich bin ich in jungen Jahren über die elterliche Fronarbeiten in Haushalt, Garten und Hausumbau, dazu erzogen worden, meine begrenzte Lebenszeit dazu zu verschwenden, den Eltern die Maloche nicht nur abzunehmen, sondern ihnen dabei zu helfen, viel Geld zu sparen. Denn anderenfalls hätten sie sich zu bezahlende Helfer und Handwerker bestellen müssen.

Nun, ich sah aus dem Fenster. Das Licht im brütend heißen Dachzimmer des Nachbarhauses war ausgegangen. Es war längst dunkel draußen. Wir schreiben immerhin schon den 21. Juli 2018. Die Nacht hat dem Tag seit dem 21. Juni bereits wieder 32 Minuten abgeknöpft. Nur bei einer genauen Beobachtung, fällt dieses auf.

Draußen ist es relativ ruhig. Die meisten Bewohner sind noch im Urlaub oder tun zumindest so, als seien sie es. Dabei ist die erste Hälfte der Sommerferien, der Großen Ferien bereits herum. Bald beginnt die Schule wieder. Dann lärmt es ab 6.00 Uhr morgens wieder auf der Raserstrecke Wiesbadener Straße, dann kloppen die Autoidioten wieder mit 70 und mehr die 30 - Zone herunter.
Dann wird die Alltagshektik wieder eintreten.

Wenn die Schüler sich zu Beginn des neuen Schuljahrs wieder einfinden, dann wird natürlich auch über den Urlaub mit den Eltern herum gebranst. Wo sie nicht alle waren? Auf " Malle "- ach, langweilig, geschenkt. Auf den Malediven - auch eher öde, abgehakt. Auf Balkonien - wie, wo liegt das denn?

Angeblich sollen 25 % der Deutschen sich keinen Jahresurlaub leiste können. Vor einigen Jahren waren es noch über 30 v. H. Dabei ist so ein scheiß Urlaub überhaupt kein Kriterium, um festzustellen, ob ein Mensch arm oder wohlhabend ist.

Als wir im Kindes - und jugendlichen Alter waren, gab es keinen Urlaub während der Schulferien. Da hieß es, die Zeit in den Freibädern, auf den Feldern oder an der Aue tot schlagen, ehe die Schule wieder begann.

Heute muss es eben Spanien, die Türkei oder Griechenland sein. Sehr oft auch eine Reise durch halb Europa oder mehr.

Tja, die Zeiten haben sich geändert, die Menschen aber auch.

Ich habe die Balkontür geöffnet, ohne dabei das Konstrukt zu betreten. Unter dem Gebilde befindet sich noch eine Baustelle. Die Handwerker haben sich noch nicht eingefunden. Es sind eben Sommerferien. Da versucht jeder Mensch so zu tun, als sei er nicht erreichbar. Er hat Urlaub; notfalls das restliche Jahr dazu.

Draußen böllern irgendwelche Schwachmaten. Es ist das typische Heulen und Zischen der Raketen und Knallen der Böllern zu vernehmen. Es mag sein, dass eine Geburtstag gefeiert wird.

Meiner ist bereits 3 Wochen her; unser Ostseeurlaub schon 4 Wochen und die Pleite - WM 1 Woche.

Wie die Zeit vergeht!

Der Sommer ist bereits in 8 Wochen wieder vorbei. Draußen zeigt das Thermometer noch satte 21 Grad. Im Raum sollen es sogar 25° C sein. An Schlafen ist da noch nicht zu denken. Deshalb sitze ich noch am PC und blogge, denke dann an die vergangenen Zeiten, als es solche Errungenschaften, wie das Internet, das Handy oder mehr als 350 Fernsehprogramme noch nicht gab. Jetzt frage ich mich, wie ich die vielen Sommer, die Sommerabende da verbrachte habe.


" Öresund Space Collective " - " Bearlandia " - " Music For Pognologists " - 2014:



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?