Aufbruch in die Freiheit oder Zusammenbruch des restaurativen Staatsapparats?



Als im bald abgelaufenen Monat Oktober das Hamburger Nachrichtenmagazin " DER SPIEGEL " ein Sonderheft zu dem Thema Frauen und Emanzipation unter dem Titel " Frauenland " ( Ausgabe 41a / 2018 ) heraus brachte, musste sich so mancher Leser ( und nicht nur der 9 etwas verwundert die Augen reiben und sich dabei die existenzielle Frage stellen: " Ist das überhaupt noch ein Thema ? "

Wer sich das Parteiprogramm der " Alternative für Deutschland " ( AfD ) ansieht, wird danach die diese selbst gestellte Frage mit einem eindeutigen " Ja " beantworten müssen. Ein aus vergangenen Zeiten projiziertes Frauenbild, das dann in Versatzstücken in die jeweilige Unterprogrammatik hierzu eingeflossen ist, prägt jenes Machwerk der Nationalisten, Neo - Faschisten und Populisten.

Die Partei will den sogenannten " Gender Mainstream " bekämpfen. Aha! Nur, was ist denn dieser vermeintliche Mainstream? Der Genderismus dürfte allenfalls ein Teilaspekt des Frauenbildes in dieser Gesellschaft sein. Und er beherrscht keineswegs sämtliche Felder des Zusammenlebens in der BRD - Gesellschaft.

Um zu verstehen, dass Gender mehr Segen, denn Fluch sein dürfte, müsste sich ein großer Teil der nationalistischen Trommler in der AfD sowie deren Anhänger in die Endsechsziger und frühen 1970er Jahre zurück beamen lassen. Der Opa Gauland natürlich nicht, denn der ist betagt genug, dass er jene gesellschaftlichen Verhältnisse in dem Zeitraum nolens volens versteht; wenngleich er diese wohl anders interpretiert als die Mehrzahl derjenigen Westdeutschen, die in ihnen groß geworden und erzogen sind.

Das Rentner - Fernsehen vom ZDF gab am Montagabend, just zur heiß begehrten Primetime, den damals lebenden und unter den Bedingungen eines ausklingenden, restaurativen Adenauer - Nachkriegsdeutschland, mit dem Film " Aufbruch in die Freiheit ", dabei ein winziges Zeitfenster erfassend, über 89 Minuten lang Gelegenheit, sich zurück zu erinnern.

Die Handlung, eher: Die Haupthandlung, lässt sich schnell erzählen.
Die Protagonistin Erika Gerlach, Ehefrau und dreifach Mutter eines Fleischereibesitzers in einem Kaff bei Köln am Rhein, erhält die niederschmetternde Nachricht, dass sie erneut in " anderen Umständen " ist. Was nun, was tun?
In einer Zeit, nämlich anno 1971, in der Frauen in Westdeutschland de facto Menschen zweiter Klasse sind, obwohl sie es de jure gar nicht sein dürften.

Gerlach entscheidet sich auf Anraten ihrer, in einer Wohngemeinschaft alter Prägung lebenden Schwester zur Abtreibung. Der Arzt in der Großstadt Köln, wurde indes wegen seiner verbrecherischen Tätigkeit am " ungeborenen Leben " denunziert, kurz vor dem Abschluss des Eingriffs an seine Patientin Erika G. von einem Polizei - Rollkommando in der Praxis fest genommen und eingeknastet.

Erika Gerlach wäre danach beinahe verblutet, wendet sich Hilfe suchend erneut an ihre Schwester und wird dort in der WG zunächst untergebracht. Der Mann - er hatte das Treiben seiner Frau längst durchschaut - rastet aus. Es kommt zur Scheidung. In dem Verfahren wird Erika von einer engagierten Anwältin vertreten, die sich vehement gegen die einst herrschende Meinung in Schrifttum, Literatur und die damit verbundene Rechtsprechung, auflehnt und versucht der Mandarin das Sorgerecht für die drei Kinder zu erstreiten. Indes, vergeblich, Das Kollegialgericht, bestehend aus drei Berufsrichtern des Landgerichts ( Köln? ) entscheidet - wie erwartet - für den Kindesvater.

Die Ehe wird geschieden; die Kindesmutter lebt nicht erst von da an ihr eigenes Leben. 
Quod erst demonstrandum! 

https://www.zdf.de/filme/der-fernsehfilm-der-woche/aufbruch-in-die-freiheit-100.html

Mal ganz davon abgesehen, dass dieses aus Artikel 3 Absatz 1, 2 und  3 Satz 1 1 Halbsatz des Grundgesetzes, auch in der Zeit nach 1949 herzuleiten gewesen wäre, sah die bitterböse Realität der kapitalistischen Wertegemeinschaft in der BRD völlig andersartig aus. Geprägt von dem massiven Einfluss des Klerus, der beiden Amtskirchen in Westdeutschland also, die von dem streng gläubigen Kanzler Adenauer und seinen getreuen CDU - Vasallen in Wort, Bild und Tat, 1 : 1 umgesetzt wurde, hatten Frauen keine gleichen Rechte. Sie konnten sich nicht frei entfalten. Nach dem Besuch der obligatorischen Volksschule, hatten das Gros ihrer, - wenn überhaupt erlaubt und möglich - eine Lehre zu absolvieren ( natürlich in einem typischen Frauenberuf, wie Verkäuferin, Schneiderin, Krankenschwester ) und danach gefälligst auf einen Mann zu warten, der sie alsdann finanziell abhängig machte, für den sie - wie staatlich vorgesehen erst nach der Eheschließung - mehrere Kinder zu gebären hatte ( gesunde, bitte schön, und vorrangig Jungs ), um die sie sich - wie für den Haushalt auch - allein zu kümmern hatte. Das die Nachkommen in einem ordentlichen Haushalt, einem vernünftigen Umfeld und mit christlicher Erziehung versehen. später das elterliche Familienleben weiter führen und ganz im Sinne des Staates gute Bürger zu werden hatten, dürfte selbst redend sein.

Eine Eheschließung war erst ab 21, dem Eintritt in die Volljährigkeit möglich. Danach bestimmte der Mann die Richtlinien der Familienentwicklung. Wollte die Angetraute ( das " Ja - Wort " musste zweigleisig vor dem Pfaffen und dem Standesbeamten gegeben werden ) eine Berufstätigkeit aufnehmen, weil die Deutsche Mark auch damals bei mehreren Kindern ( ab zwei Nachkommen hieß es dann Stück ) weder hinten, noch vorne, geschweige dann total, ausreichte, musste sie die Zustimmung des Ehemannes einholen, der zudem den Arbeitsvertrag mitzuunterzeichnen hatte.

Das Haushaltsgeld wurde von dem Kerl für seine kochende, putzende, bügelnde Frau streng eingeteilt. Die Schulzeugnisse der Kinder hatte einzig der Haushaltsvorstand zu unterschreiben. Gleiches galt für alle Verträge, die  in den, mit dem Wirtschaftswunder aufkommenden Kaufrauschjahre abgeschlossen wurden. Ein eigenes Konto durfte die Ehefaru ohne Einwilligung des Mannes nicht führen. Und so setzt sich die Ungleichbehandlung der Frau in mannigfaltiger Weise fort.

Nein, eine Frau in dem Jahr 1971, in dem der Film spielen soll, war unfrei. Sie blieb es bis die sozialliberale Koalition mit den SPD - Kanzlern Willy Brandt und Helmut  Schmidt mittels großer Reformgesetzgebungspakete, die - wie es nicht anders zu erwarten war - von den CDU / CSU - Politkern, den Kirchen und anderem reaktionären Pack, bis aufs Blut bekämpft wurden, die rechtlichen ( wohl auch rechtswidrigen ) Fesseln ablegte. Freiheit blieb indes immer noch Einsicht in die Notwendigkeit und die sah in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung vor, dass Frauen bis heute um nahezu 1/3 weniger Lohn und Gehalt verdienen, die geringeren beruflichen Aufstiegschancen hatten und in vielen Berufen unterrepräsentiert sind.

Damals, wie heute, gilt aber:


Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 3 

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.


Da mögen die alten Herren und die jungen Nationalisten in der AfD sowie solche Vergeblichen, wie vom Schlage von Storchs, brüllen, hetzten und lamentieren, bis sie braun werden. Gender war, ist und bleibt wichtig, sonst driftet die moderne Gesellschaft in die 1960er ff zurück.

Dass der ZDF - Film mit dem Genöle der " Archies " und ihren Pop - Song " Sugar, Sugar " ausklingt war allerdings auch keine musikalische Ruhmestat. Besser wäre der Deutsch - Punk - Titel des wandelnden Schminkkoffers Nina Hagen und noch zeitgemäßer:













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