Blender


Es soll ja Menschen geben, die sich an keine oder an nur wenige Regeln halten. Die meisten dieser Nonkonformen geraten hierbei allerdings alsbald mit den vielen, viel zu vielen Gesetzen in Konflikt und müssen sodann die sich daraus ergebenen Konsequenzen tragen.

Vor einer gefühlten Ewigkeit erzählte mir ein nicht mehr berufstätiger Landwirt aus einem Dorf bei Bremen eine wilde Geschichte, die heutzutage zu den lästigen Alltäglichkeiten gehört, mit denen Vermieter zu kämpfen haben.

Es war wohl so Mitte der 1980er Jahre. In Bremen, aber auch in anderen Großstädten herrschte Wohnungsmangel. Es gab kaum bezahlbaren Wohnraum. Deshalb versuchten jene Wohnungssuchenden in den so genannten Speckgürtel der Stadt zu ziehen. Dort waren das Mietangebot größer und die Wohnungen billiger.

Der Bauer, sonst nicht auf den Kopf gefallen, nutzte diese Situation und kaufte ein marodes, altes Haus. Er ließ es sanieren, um anschließend die Räume zu vermieten. Eines Tages erschien eine Familie, bestehend aus Mutter, Vater und eine Unzahl von Kindern. Letztere kamen allerdings nicht zum Besichtigungstermin mit. Der Familienvater erschien hierzu alleine. Er hatte sich - wie man so schön sagt - in Schale geschmissen, trug somit einen Anzug, elegante Schuhe und kam mit einem großen Auto vorgefahren.

Der Landwirt war sichtlich angetan. Er ließ alles, sonst übliche Misstrauen beiseite und vermietete das Haus an den Interessenten. Das war ein Fehler. Nachdem die neunköpfige Familie dort eingezogen war, die Kaution und die erste Miete bezahlt hatte, türmten sich monatelang Mietschulden auf. Ein fünfstelliger Betrag hatte sich bald angesammelt. Der Landwirt kündigte den Mietvertrag, beauftragte einen Kollegen und ließ Räumungs - und Zahlungsklage erheben.

Doch die Gerichte, so auch das Amtsgericht in Syke, sind bei solchen Verfahren nicht schnell genug. Es dauerte beinahe 1, 5 Jahre, ehe dem Bauern ein Räumungsurteil vorlag, die Vollstreckung erfolgen konnte und das Haus wieder frei wurde.

Die Zimmer sahen allesamt aus, als habe dort eine Bombe eingeschlagen. Er nannte mir gegenüber die einstigen Mieter Halunken, Betrüger und Dreckschweine. Heutzutage werden sie wortneutral im feinsten Denglisch " Messies " betitelt.

Dem Bauern kosteten die Mietnomaden einen satten Betrag von mehr als 20.000 DM. Er wurde danach vorsichtiger und verlangte verschiedene Nachweise von seinen Folgemietern.

Nun, mehr Schein als Sein, gehört zu den üblichen Verhaltensmustern vieler Menschen.

Vor einigen Wochen erschien ein von uns beauftragter Makler mit einer Kaufinteressentin aus der Schweiz zu einem Besichtigungstermin. Ich verdrückte mich wie üblich und ließ den Makler schalten und walten, wie er es für richtig hielt. Zuvor allerdings erklärte mir dieser, er habe bei diesem Termin kein besonders guten Gefühl, da die Interessentin deutsch mit einem leichten russischen Akzent spräche.

Nun, ja, ich sehe das nicht so verbissen und konnte ihn beruhigen.

Nach dem Termin unterhielt sich meine bessere Hälfte noch eine längere Zeit mit der angeblichen Schweizerin, ehe diese in einem Kleinwagen wieder entfleuchte. Sie wolle das Haus nach der noch nicht beendeten Renovierung erneut besichtigen und dann kaufen. Dieses schrieb sie dem Makler per Mail.

Es vergingen einige Wochen. Von der mutmaßlichen Schweizerin war nichts zu hören. Dann rief eine Frau bei dem Makler an und behauptete, sie sei die Mutter der Interessentin. Diese selbst läge im Spital und würde sich später noch wieder telefonisch mit dem Makler in Verbindung setzen. Doch auch zwei Wochen danach tat sich nichts. Der Makler rief erneut bei der angeblichen Mutter der Kaufinteressentin an, ohne diese zu erreichen. So ging das Spielchen einige Tage. Dann hatten wir die Nase voll und erklärten den Reservierungszeitraum für beendet.

Inzwischen wird es bald November. Die vorgegeben Schweizerin hat sich weder schriftlich erklärt, noch erfolgte eine Telefonanruf.

Nachdem sich die erste Enttäuschung über das seltsame Verhalten der Frau gelegt hatte, stand für mich fest, dass es sich wohl auch hier um eine Blenderin gehandelt haben musste. Indes war hier kein finanzieller Nachteil entstanden.
Es muss sich auch hier um eine Art Besichtigungstourismus gehandelt haben. So werden jene Menschen bezeichnet, die sich Miet - oder Kaufobjekte zeigen lassen, obwohl sie von Beginn an keine Vertragsabschlussabsichten haben.

Es sind eben nur Blender.

Unsere Moneten geile und nur auf Äußerlichkeiten gehende Gesellschaft braucht auch solche Menschen. Es sind nicht einmal Exoten. Es handelt sich oft um solche Menschen, die das Gefühl vermittelt bekommen möchten, einmal zu den Gewinnern, den Siegern, denen, die es geschafft haben, dazuzugehören.
Vielleicht zählte die Schweizerin auch mal dazu. Dann folgte irgendwann die Trennung und Scheidung von ihrem Mann. Sodann der abgrundtiefe Fall in das finanzielle Nichts. Diese Abläufe sind kein Einzelfall. Einige der so Gebeutelten reagieren darauf, in dem sie sich abkapseln, sich zurück ziehen, aus dem Blickfeld von Bekannten, Freunden, der Familie entschwinden. Andere verfallen in schlimme Depressionen. Eine weitere Gruppe wiederum baut um sich herum eine Scheinwelt auf. Ein Blendwerk, das dann in sich zusammen fällt, sobald an diese Blender konkrete Forderungen gestellt werden.

Als Student habe ich es häufiger erlebt, dass Kommilitonen aus meinem Bekanntenkreis über Jahre gegenüber der Familie und den Freunden vorgaben zu studieren, obwohl sie seit Jahren keinen Fuss mehr in einen Universitätsraum gesetzt hatten.

Blender?




" John Uzonyi´s Peacepipe - " - " I Can Never Take Your Dreams Away " - 1970:




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!