Hab´den Haustürschlüssel stecken lassen.


Gestern war der Maler da. Er führte jene Raumverschönerungsarbeiten aus, die - qua mietvertraglicher Regelung - jedem Mieter auf das Matschauge gedrückt werden. Die finalen Anstreicharbeiten an unserer - wenn auch nur temporären - Hauptbaustelle waren das I - Tüpfelchen auf einer, nahezu unendlich anmutenden Geschichte, rund um die Balkonsanierung.

Mehr als 78 Jahren nach der eigentlichen Hausfertigstellung hat dieses ein etwas anderes Gesicht bekommen. Der kosmetische Eingriff kostete Geld, Kraft sowie auch Nerven.  Sei´s drum.

Für heute wurde ein Besichtigungstermin angesetzt. Der Makler begleitet einen - mutmaßlich durchaus solventen - Herrn, einen Prof. Dr. Dr. aus dem Südwesten dieses, unseres, vor allem wirtschaftlich stark gesplitteten Landes.

Meine bessere Hälfte war neugierig und quälte Tante Google. Sie fand einige interessante Informationen zu und über jenen Kaufaspiranten heraus. Nun,ja, " I wasn´t deeply impressed! "
Karrieren gibt es hier und dort. Aber, immer, er kann den Kaufpreis wuppen. Zumindest auf dem Papier.

Leider gibt es von der ersten Interessentin kein Lebenszeichen. Sie war krank, lag eine Zeit lang im Spital und hüllt sich seit ihrem Besuch in tiefes Schweigen. Schade!

Während der Maler seiner Tätigkeit nachging, klingelte es an der Haustür. Die Spedition " Emons " aus Köln mit ihrer Dependance in Dresden lieferte eine Palette Bodenfließren, die meine bessere Hälfte bei einer Wühlaktion im Netz relativ günstig " geschossen " hatte.

Ich zog die Palette zusammen mit dem Auslieferungsfahrer bis vor die Treppenstufen. Nach und nach entfernte ich die Verpackung von der Einwegpalette. Noch so´n schweren Holzding, dass ich später irgendwie zersägen müsste. Aber, die Betonung liegt hier auf " später  "!

Nachdem ich die 6 Pakete Fließen auf den Balkon gewuchtet hatte, probierte ich schon mal so was, wie ein Muster auf der glatten, Regen undurchlässigen und Rost freien Fläche aus. Hmh, von links nach rechts, von oben nach unten oder auch umgekehrt? Von meiner politischen Einstellung her, kommt so wat nicht in die Tüte. Aber, hier, bitte!

Ich holte das Wunderphone aus meiner Gesäßtasche und knipste ein paar Bilder. Meine Regierung, die derweilen in Chemnitz thronte, sollte nunmehr entscheiden und den Auftrag dazu erteilen. Wir telefonierten anschließend. Dann war auf dem Balkon erst einmal Feierabend - für heute!

Ich überlegte, warum es mit der Balkonsanierung so lange gedauert hat. Ein Grund dafür ist zweifelsohne, dass die Nachfrage an Handwerker hoch sein dürfte. Dass es bei ihnen kaum noch Nachwuchs gibt, weil kaum ein " Aldi " - Abiturient eine Lehre antritt und - dieses vor allem -, weil im so genannten Osten die Maloche schlecht bezahlt wird.

Unser deutsch - irischer Familienteil in Bayern, genauer gesagt, unsere Tochter, erzählte, dass die Handwerker dort durchschnittlich 65 € pro Stunde verlangen, aber dafür kaum einer der Künstler erscheint. Unsere Maurer, die die ausgeblühte Fassade rund um den Balkon super abgeputzt haben, verlangten pro Stunde etwas mehr als die Hälfte. Okay, Bayern, oder besser: Regionen im Freistaat sind sündhaft teuer. Da sollten die Relationen schon mal bei der Bewertung herangezogen werden.

Die Neuen Bundesländer zählen leider nicht dazu, obwohl in den hiesigen Leuchttürmen, wie zum Beispiel in Leipzig, Jena oder Dresden die Mieten, auch die Lebenshaltungskosten seit vielen Jahren steigen.

Das ist gut für Hausverkäufer. Und weil unser derzeitiges Domizil einfach zu groß ist, wir dafür zu alt werden und unsere Enkel - Group uns wohl braucht, ziehen wir eben um.

Ich fege die Nadeln und Zapfen, die der milde Herbstwind herunter geweht hat, aus den Eingangsbereich, vom Gehsteig und vom Auto. Wäre da nicht diese klebrige, Harzanhaftung an dem bräunlichen Zeugs, ich müsste nicht jeden Tag ein oder zwei Mal den Besen schwingen. Doch, so. " Wat schall´s? ", wie der Schaumburger es auf Platt sagt.

Der Maler verabschiedet sich. Er hat Morgen Geburtstag. Er ist Jahrgang 1984. In dem " Orwell " - Jahr geboren. Da habe ich just etwas mehr als die Hälfte des Jurastudium abgerissen. Am Auto unterhalten wir uns noch ein wenig über Hunde. Ich hatte ihm zuvor erzählt, dass ich vor vielen Jahren eine Deutsche Dogge besaß. Er ist Besitzer eines Labrador. Aha, die Rasse kenne ich. Wir fachsimpeln ein wenig. Dann bedanke ich mich für seine Arbeit. Wieder ein Schritt in Richtung " Schöner Wohnen " getan!

Während ich die Kieferabwürfe weiter zusammenkehre, fällt mir ein, dass die Hauptarbeit noch auf uns wartet. Wir wollen das Wohnzimmer - hoffentlich - ein letztes Mal um räumen. Meine bessere Hälfte nimmt deshalb den RB 30 zwei Stunden früher als sonst.
Ich hole sie dennoch vom Bahnhof  Dresden - Plauen ab.

Der Zug hat wieder so um die 5 Minuten Verspätung. Ich nehme mir die Zeit und knipse einige Fotos mit dem Windows - Wunder aus der Hintertasche. Dabei beobachte ich eine Gruppe junger Leute. Das junge und jüngere Gemüse vertreibt sich die Wartezeit mit jener Fingerakrobatik, über die der " SPIEGEL " in seiner aktuellen Ausgabe titelt. Daddeln, bis der Arzt kommt?

Der Zug rollt an der Holzkonstruktion vorbei und bremst ab. Meine bessere Hälfte steigt mit anderen Fahrgästen aus. Wir besprechen unsere Aktion bis zum Eintreffen vor dem Haus. Dann legen wir gleich los.

Die Wiedereinrichtungsarbeiten dauern mehr als 2 Stunden. Wir schieben den roten Chinesischen Schrank in den vorderen Raum, die Coach aus Berlin dafür heraus , dafür wandert das kleinere, schwarze Sofa dorthin. Nach dem Fenster putzen, Feudeln und Staub saugen, bei dem auch die Hinterlassenschaften der ungebetenen Zitterspinnen beseitigt werden mussten, fahre ich noch zum " Netto ". Da Katzenfutter war alle. Sch...! Egal, also verbinde ich diesen unplanmäßgen Einkauf und besorge uns vom Fleischer zwei leckere Thüringer Bratwürste.

Heute Morgen, beim gemeinsamen Kaffee trinken, gibt mir meine bessere Hälfte einen Schwung neuer Aufträge. Ich nörgele herum. Dabei fiel mir ein Lied von Reinhard Mey ein:



Passt doch, irgendwie auch zum Abschied von dem Haus? Wozu so mancher Unwissende vielleicht denkt, dass eine eigene Unterkunft einfach in den berühmten Schoß fällt. 
Wie heißt es da so zutreffend:  

"Ohne Arbeit früh bis spät, wird Dir nichts geraten. Der Neid sieht nur das Blumenbeet, aber nicht den Spaten"


 Aber, das Ziel ist gewiss, nicht jedoch der Zeitpunkt. Und so werden eben nachher jene Aufträge abgearbeitet, die sich auch weiterhin angesammelt haben, um die schöne Optik nicht zu verfälschen.

" Madness " - Our House " - 1962:




Aha, so geht´s also auch. Na, denn: " Hab´den Haustürschlüssel stecken lassen "... für den nächsten Bewohner nach uns!


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