Wildwechsel
Seit einiger Zeit höre ich jeden Tag ab den Frühnachrichten, dass auf irgendeiner Autobahn ein totes Tier liegt. Vermehrt sind es Rehe, Füchse oder manchmal auch Wildschweine. Dazu kommen jedoch auch kleinere, wild lebende Tier, wie Otter, Dachs, Feldhase oder gar Biber. Die Zahl der gemeldeten Wildunfälle steigt von Jahr zu Jahr und verursacht einen Regulierungsaufwand der Versicherungswirtschaft von mehr als 744 Millionen Euro per anno.
https://www.welt.de/motor/news/article181746302/Zahl-der-Wildunfaelle-so-hoch-wie-nie-Unfallstatistik-der-Versicherer.html
Wer in einem Verkehrsunfall mit Haarwild verwickelt wird, muss sich an bestimmte Regeln und Abläufe halten. Zudem bezahlt nur eine Teilkaskoversicherung den materiellen Schaden an dem eigenen Fahrzeug. Wer nur eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, geht zumeist leer aus.
Eine Kollision mit Tieren ist in jedem Fall polizeilich zu melden. Nimmt ein Autofahrer nach einem Zusammenstoß mit einem Tier einfach Reißaus, begeht er eine Straftat, denn er handelt dem Tierschutzgesetz zuwider. Meistens ist der Schreck, der durch einen solchen Verkehrsunfall dem Fahrer in die Knochen fährt, wesentlich größer als die folgenden Unannehmlichkeiten. Bei einer Kollision mit einem größeren Stück Rot - oder Haarwild rummst es nämlich ordentlich.
So auch bei jenem Unfall, den ich einst, genauer gesagt vor 46 Jahren auf der damals kaum befahrenen Bundesstraße Bundesstraße 209 an einem ruhigen Oktoberabend als Beifahrer erleben durfte.
Ein damaliger Gefreiter aus einer Nachbarstube hatte sich kurz vor seiner Entlassung von der Bundeswehr von seiner zu erwartenden Abfindung und dem Gesparten eine Wochen zuvor einen funkelnagelneuen VW 1303 in einem überaus hässlichen Zitronen gelb gekauft. Pankratz, so hieß der Soldat, der mit mir in einer Kompanie den Dienst versah, kam aus Bockenem, einer Kleinstadt bei Goslar am Harz. Er zeigte mir mit einem gewissen Stolz seinen fahrbaren Untersatz,an dem ein " GS " - Kennzeichen prangte und lud mich zu einer kleinen Rundfahrt in Richtung Bispingen ein.
Es war längst dunkel als wir uns auf den Weg machten. Pankratz fuhr zunächst durch Munster, um auf dem in der Nähe liegende Bundesstraße zu gelangen. Er wollte mir nun zeigen, wie sprintstark sein Käfer war und überholte hier einen größeren PKW. Dann bog er irgendwann auf eine Kreisstraße ab. Diese führte durch ein Waldgebiet. Bereits davor zeigte uns das D dreieckige Verkehrsschild mit dem typischen roten Rand und einem aufgesetzten, springenden Rehbock auf weißen Grund, dass auf dieser Strecke mit Wildwechsel zu rechnen ist.
Pankratz fuhr weiter einen flotten Stiefel. Hinter einer Kurve sah ich dann aus dem Dunkeln heruas mehrere, deutlich leuchtende Augen und schemenhafte Umrisse von Tieren auf der Fahrbahn. Ich sagte zu Pankratz nur: " Pass auf! " Pankartz stieg in die Eisen. Die Reifen quietschten, sie qualmten, dann gab es einen dumpfen Aufprall an der Haube, links, somit der Fahrerseite. Der Außenspiegel splitterte, ein Wildkörper rutschte über die buckelige Käfer - Haube von links nach rechts, wurde dann in den Graben geschleudert und ward danach nicht mehr gesehen.
Der Käfer kam zum Stehen. Pankratz schaltete sofort seine Warnblinkleuchte an und
stieg mit leicht zittrigen Beinen aus. Ich machte ebenfalls die Beifahrertür auf. Er holte das Warndreieck. Ich erklärte ihm, dass ich es aufstellen werde. Er übergab mir das in einer Plastehülle liegende Sicherungsutensil. Ich lief zirka 80 Meter an der rechten Straßenseite zurück. Aus der Ferne waren zwei Autoscheinwerfer zu erkennen. Es war der PKW, den Pankratz zuvor überholt hatte. Ein älteres Ehepaar saß dort drin. Der Wagen hielt hinter dem Käfer an. Der Fahrer kurbelte die Seitenscheibe herunter. Pankratz erklärte ihm, er habe ein Reh angefahren und der Fahrer möge die Polizei anrufen.
Die Beifahrerin kommentierte dazu noch in unpassender Weise: " Ja, kein Wunder, so, wie Sie uns gerade überholt haben! " Ich entgegnete ihr: " Das hat damit gar nichts zu tun. Das kann jeden Anderen auch passieren. " Sie glotzte mich grimmig an, dann fuhr der PKW los.
Nach zirka einer halben Stunden erschien ein Polizeiauto. Die beiden Beamten stiegen aus. Wir schilderten das Geschehen. Die Beamten notierten die Personalien, prüften die Fahrerlaubnis und leuchteten den Graben und die vorderen Flächen des Waldstücks ab. Ein frischer Kothaufen zeigte ihnen, dass das Tier dort wohl gelegen haben musste.
Von dem Reh war jedoch nichts mehr zu sehen.
Ein Beamte erklärte uns, dass die zuständige Försterei benachrichtigt werde. Dann gab er uns einen Vordruck auf dem die Tagebuchnummer notiert war. Diese ist in jedem Fall wichtig, denn sie muss bei der Haftpflichtversicherung angegeben werden.
Dann verabschiedeten sich die Beamten und wünschten uns gute Weiterfahrt.
Einige Tage später erzählte mir Pankratz, dass der Wagen in seiner VW - Werkstatt repariert worden sei. Die ganze habe um die 800 Mark gekostet. Die Versicherung habe die Rechnung beglichen. Das war´s!
Noch Monate später erzählte ich in meinem Freundeskreis von dem Unfall. Noch mal Glück gehabt. Solche Wildunfälle können auch anders ausgehen.
Deshalb wird der Autofahrer ja auch durch das Warnschild " Wildwechsel " zur erhöhten Aufmerksamkeit aufgefordert.
" Guru Guru " - " Ooga Booga " - " Känguru " 1972:
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